[Autobiografie] Ein anderes Israel

Darf sich ein Deutscher kri­tisch gegen­über Israel äußern? Oder gar ein Jude? Mit die­ser Graphic Novel gibt es gleich bei­des. Zum einen den jüdi­schen Autor Harvey Pekar und zum ande­ren den deut­schen Leser, also mich.

»Ich habe die Leute satt, die sagen, ich wäre ein Jude, der sich selbst hasst, weil ich Israel kri­tisch gegen­über­ste­he […]« (S. 87)

Sehr oft wird ein sehr ver­klär­ter Blick auf Israel gewor­fen, der die Israelis als »Opfer« daste­hen lässt. Pekar führt auf, dass die­ser Blick viel zu geschönt ist. Es geht nicht dar­um, den Holocaust zu ver­leug­nen oder als weni­ger dras­tisch daste­hen zu las­sen. Es ist unbe­strit­ten, dass die Gräueltaten des Holocausts, der über sechs Millionen Juden das Leben kos­te­te, eine ein­zig­ar­ti­ge Abscheulichkeit war. Auch wur­den die Juden über meh­re­re tau­send Jahre ver­folgt und aus ihrer Heimat ver­trie­ben. Er stellt aber zurecht die Frage, ob dies einen Rachefeldzug gerecht­fer­tigt hat.

Der Autor zeigt in die­ser Graphic Novel nicht nur die Geschichte des moder­nen Israel, son­dern auch die Geschichte der Juden, Christen und Muslime auf, die teils eng mit­ein­an­der ver­wo­ben sind. Diese drei Weltreligionen erleb­ten vie­le krie­ge­ri­sche Auseinandersetzungen, aber auch grö­ße­re Zeiträume, die von Frieden und einer fried­li­chen Koexistenz geprägt sind. Er zeigt eben­falls auf, dass die Juden sich des­halb auf der Welt ver­teil­ten, weil sie jahr­hun­der­te­lang nach Orten gesucht haben, wo sie in Ruhe gelas­sen wur­den. Die Geschichte der Juden ist und war geprägt von Gewalt und Gegengewalt.

Mit die­se Graphic Novel packt Harvey Pekar in ein Wespennest, in dem er immer wie­der die Machenschaften Israels anpran­gert, so dass sich sol­che Sätze immer wie­der im Buch fin­den: »Juden, die Israel kri­ti­sie­ren, sind nicht zwangs­läu­fig geis­tes­ge­stört.« (S.87) Er pro­pa­giert den Frieden, sieht aber auch, wie sehr der Konflikt fest­ge­fah­ren ist (»Ich habe kei­ne Ahnung, wie das Problem zu lösen ist […]« (S. 159)).

Graphisch ist die­se Geschichte sehr abwechs­lungs­reich umge­setzt. JT Waldman setzt sehr vie­le Stilmittel ein, um die Geschichte nicht ver­trock­nen zu las­sen, son­dern um ihr Leben ein­zu­hau­chen. Und es ist ihm gelun­gen. Die gänz­lich in schwarz-weiß gehal­te­nen Zeichnungen haben die Geschichte hand­fest und auch optisch span­nend wer­den las­sen.

Fazit

Die Geschichte der Juden ist geprägt von Gewalt und Gegengewalt, von Hass und Verfolgung und das schon seit über 2.000 Jahren. Harvey Pekar heißt die­se Geschichte natür­lich nicht gut. Wie könn­te man auch? Aber er erkennt, dass die Juden eben­falls Unrecht getan haben und immer noch tun. Er sieht nicht ein, wie Juden gewalt­sam ande­ren Menschen ihre Heimat weg­neh­men, weil sie glau­ben, dass Gott ihnen die­ses Land ver­spro­chen hat (wovon die ande­ren Glaubensgemeinschaften übri­gens auch über­zeugt sind). Wie man auch immer zum Konflikt im Nahen Osten ste­hen mag, die­se Graphic Novel gibt einen umfas­sen­den und ehr­li­chen Blick auf die Geschichte des Judentums.

Hintergrund: Harvey Pekar erlag im Jahre 2010 im Alter von 71 Jahren einer Krebserkrankung. Er grün­de­te mit sei­nen Werken das Comic-Untergenre der auto­bio­gra­fi­schen Graphic Novel (der Leser darf sich nun wie­der auf die Frage stür­zen, was der Unterschied zwi­schen einem Comic und einer Graphic Novel ist). Er war eng mit JT Waldman befreun­det, der die­se Graphic Novel als Co-Autor beglei­te­te und zwei Jahre nach dem Tod von Pekar im Jahre 2012 ver­öf­fent­lich­te. In Deutschland erschien die­ses Buch zum ers­ten Mal im Jahre 2016.

Diese Graphic Novel ist mitt­ler­wei­le ver­lags­ver­grif­fen (sie­he Webauftritt des Splitter Verlags). Hier und da tau­chen noch Exemplare in Online Buchhandlungen auf oder natür­lich auf dem Gebrauchtmarkt.

Titel: Ein ande­res Israel
Autor: Pekar, Harvey; Waldman, JT
Illustrator: Waldman, JT
Genre: auto­bio­gra­fi­sche Graphic Novel
Seitenzahl: 176
Verlag: Splitter Verlag
Band: 1 von 1

5/5

Originaltitel: Not The Israel My Parents Promised Me
Übersetzer: Gerlinde Althoff
Herkunft: USA
Jahr: 2010 / 2016 (org./dt.)

graphic novels comics

In mei­ner per­sön­li­chen Übersicht der emp­feh­lens­wer­ten Comics und Graphic Novels fin­den sich vie­le lesens­wer­te und zum Teil sehr beein­dru­cken­de Werke, die alle auf ihre Art und Weise einen Blick wert sind.

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