[Belletristik] Der Eisbär und die Hoffnung auf morgen

Es beginnt mit einer sehr abstru­sen Wette. Ein jun­ger Klimaleugner und ein Politiker gera­ten in einem Pub anein­an­der und wet­ten, dass wenn der Meeresspiegel steigt (oder nicht), sich der eine (oder ande­re) ertränkt. Der Clou dabei, dass es um einen Zeitraum von 50 Jahren han­delt. Allein dies ist schon ein geschick­ter Schachzug von John Ironmonger, denn er springt in sei­ner Erzählung in der Zeit und kann so eini­ge über­ra­schen­de Momente in sei­nen Roman packen. Aber der Roman über­zeugt durch vie­le wei­te­re Aspekte.

Es bleibt durch­ge­hend Thema, dass hier Klimaschützer auf Klimaleugner tref­fen (i.d.R. in Form der bei­den Kontrahenten), wodurch der Autor immer wie­der zahl­rei­che Informationen und Fakten zum Klimawandel ein­streut. Allerdings nicht immer direkt, son­dern ganz oft in Form von Metaphern und über­aus pas­sen­den Vergleichen, wie beim fol­gen­den Zitat, mit dem er die Aktionen der Menschheit beschreibt, dem Klimawandel ent­ge­gen­zu­wir­ken:

„Das ist wie ein Autounfall in Zeitlupe – so lang­sam, dass der Fahrer glaubt, er braucht nicht auf die Bremse zu tre­ten.“ (29%)

Gespickt ist der Roman mit sehr vie­len wis­sen­schaft­li­chen Details, die viel­leicht nicht jedem bekannt sind, wie z.B. die Annahme, dass die Wolken ab einem gewis­sen Kipppunkt ver­schwin­den wer­den und den Klimawandel antrei­ben. Zudem gibt es sehr vie­le Ideen in dem Roman, wie die Menschheit heut­zu­ta­ge sich dem Klimawandel ent­ge­gen­stel­len kann. Oder bes­ser gesagt könn­te, denn hier und da wäre dies mit einem erheb­li­chen Verlust an Wohlstand ver­bun­den, aber viel­leicht kön­nen ja wenigs­tens eini­ge Ideen umge­setzt wer­den?

Der Autor gibt zudem vie­le neue Denkanstöße, wenn er z.B. die (fik­ti­ve) 1820 Foundation grün­det, um die Idee umzu­set­zen, den Planeten der­ge­stalt zu rena­tu­rie­ren, um ihn auf den Stand von etwa 1820 zu brin­gen.

„Ein unver­dor­be­ner Planet […] ist das wert­volls­te Geschenk, das wir zukünf­ti­gen Generationen machen kön­nen.“ (38%)

Immer wie­der stellt Ironmonger dar, dass das, was nun zugrun­de geht, sehr lan­ge braucht, um wie­der auf­ge­baut zu wer­den. Ein geschmol­ze­ner Gletscher braucht z.B. meh­re­re Jahrtausende, um wie­der zu einer statt­li­chen Größe anzu­wach­sen.

Der Roman lebt aber natür­lich nicht nur von sei­nen wis­sen­schaft­li­chen Details und Beschreibungen. Er lebt von der Erzählung und der emo­tio­na­len Ebene, auf der der Leser ange­spro­chen wird. Es ist zwar so eini­ges in der Geschichte vor­her­seh­bar (oder aber der Leser denkt, dass es zu einem Ereignis kommt), aber der Autor schafft es, immer wie­der für eine Überraschung zu sor­gen, so dass z.B. das Ereignis zwar kommt, aber nicht so, wie der Leser dach­te (um spoi­ler­frei zu blei­ben, wer­de ich nicht kon­kre­ter).

Ironmonger scheut sich nicht davor, lieb gewon­ne­ne Figuren aus dem Roman zu neh­men, aber er schafft es auch, dass er tra­gi­sche Momente immer wie­der mit humor­vol­len Einwürfen auf­lo­ckert. Der Humor kommt neben all der Tragik nicht zu knapp. Es schafft es, dem Roman ein gebüh­ren­des und pas­sen­des Ende mit einer gehö­ri­gen Portion Hoffnung zu spen­die­ren. Ein Umstand, der mir schon bei »Der Wal und das Ende der Welt« gefal­len hat­te. Er schreibt so, dass zu erken­nen ist, dass die Menschheit noch nicht ver­lo­ren ist.

Fazit

John Ironmonger ist es gelun­gen, einen berüh­ren­den Roman zu schrei­ben, der das Schicksal zwei­er Männer der­ge­stalt mit­ein­an­der ver­wo­ben hat, dass nicht nur ein span­nen­der Roman ent­stan­den ist, son­dern auch viel Wissen zum Klimawandel ver­mit­telt wird. Zudem ist er emo­tio­nal anspre­chend geschrie­ben, wodurch eine über­aus emp­feh­lens­wer­te Mischung ent­stan­den ist.

Die Beschreibung, wie eine Person ertrinkt, ist sehr rea­lis­tisch dar­ge­stellt. Diese Person geht näm­lich sang- und klang­los unter. Gerade zu Beginn der Badesaison soll­te man das immer im Hinterkopf haben. Mehr dazu fin­det sich in die­sem Beitrag auf mei­nem Schwesterblog.

Hier und da erin­ner­te mich das Buch an ein ande­res, das vom Verschwinden der Arten berich­tet, weil die Biodiversität in den heu­ti­gen Klima-Diskussionen kaum eine Rolle zu spie­len scheint. Schön, dass die hier als ein Thema von vie­len auf­taucht.

Bei einem Satz fühl­te ich mich direkt ange­spro­chen, denn er sprach mir aus der Seele:

„Ich bin opti­mis­tisch, was die Fähigkeit der Menschheit angeht, Lösungen für die­se Krise zu fin­den. Aber ich bin pes­si­mis­tisch, was die Bereitschaft angeht, sie auch umzu­set­zen.“ (90%)

Und wol­len wir am Ende hof­fen, dass wir nicht die­ses ver­lau­ten las­sen müs­sen:

„Das ist ein Kampf, den wir längst ver­lo­ren haben.“ (49%)

der eisbaer

Titel: Der Eisbär und die Hoffnung auf mor­gen
Autor: Irononger, John
Genre: Belletristik
Seitenzahl: 416
Verlag: Fischer Verlag

5/5

Originaltitel: The Wager and the Bear
Übersetzer: Tobias Schnettler
Herkunft: -
Jahr: – / 2023 (org./dt.)

Sehr erstaun­lich: Das Buch ist zuerst in der deut­schen Übersetzung erschie­nen. Wann das Buch im eng­li­schen Original ver­öf­fent­licht wird, steht der­zeit nicht fest.

Ich bin unvor­ein­ge­nom­men an das Buch “Der Wal und das Ende der Welt” her­an­ge­gan­gen und wur­de sehr ange­nehm von die­ser Utopie über­rascht. Ein wit­zi­ges Detail: Der Buchmarkt ist von den gan­zen Dystopien der­art über­schwemmt, dass der Begriff der Utopie kaum noch bekannt zu sein scheint.

Ich habe mitt­ler­wei­le eini­ge Bücher auf dem Blog ver­öf­fent­licht, die sich mit dem Thema Klimawandel befas­sen. Hier eine klei­ne emp­feh­lens­wer­te Auswahl. Vor allem “Deutschland 2050″ ist sehr zu emp­feh­len, denn hier wer­den schon eini­ge Dinge genannt, die unwie­der­bring­lich in Gang gebracht wur­den.

Auch eini­ge Bücher von und über Greta Thunberg habe ich gele­sen, wobei mich nicht alle über­zeu­gen konn­ten.

Nur weil Greta Thunberg auf dem Cover steht, heißt das für mich noch lan­ge nicht, dass das Buch zwin­gend gut sein muss. Warum auch? Szenen aus dem Herzen ist ein Buch der Eltern über ihr Leben für das Klima. Das Buch war mir ehr­lich gesagt nicht glo­bal genug und hat­te mir weni­ger gefal­len. Am Ende von die­sem Buch habe ich ein paar Fakten zum Klimawandel zusam­men­ge­tra­gen, die auch heu­te noch Gültigkeit haben.

Das Bilderbuch “Greta und die Großen” denkt in mei­nen Augen zu kurz, denn es wird nur auf die ande­ren gezeigt ohne dar­zu­le­gen, was man selbst bes­ser machen kann. Gretas Weg ist eine Biografie über die jun­ge Klimaaktivistin, die mit guten Texten und noch bes­se­ren Fotos über­zeu­gen kann.

Das Klimabuch hin­ge­gen ist eine ech­te Empfehlung, da der Grundtenor in der Aufklärung und Wissensvermittlung liegt und sie sehr vie­le Wissenschaftler hat zu Wort kom­men las­sen.

Dieses Buch wur­de mir freund­li­cher­wei­se vom Verlag zur Verfügung gestellt. Weitere Hinweise zu Rezensionsexemplaren fin­den sich im Bereich “Über die­sen Blog”.

Die Verweise zu Amazon sind mit Affiliate-Links ver­se­hen. Das heißt, dass mit einem Kauf über einen die­ser Links, ich von Amazon eine klei­ne Provision erhal­te. Auf den Preis hat das kei­ne Auswirkung.

Ein Kommentar

  1. Schönen guten Morgen!

    Eine tol­le Rezension die mich gleich noch neu­gie­ri­ger macht. Ich fand “den Wal” ja schon sehr gut und möch­te auf jeden Fall das hier auch noch lesen.
    Dein ers­tes Zitat erin­nert mich an “Ismael” von Daniel Quinn. Ein Herzensbuch von mir dass eini­ges an mei­ner Denkweise ver­än­dert hat damals – und bis heu­te. Ich weiß noch, dass er geschrie­ben hat, eben auch mit einer Metapher, dass wir Menschen von einer Klippe stür­zen und glau­ben zu flie­gen – dass der Boden immer näher kommt scheint dabei nicht im Kopf anzu­kom­men ^^

    Liebste Grüße, Aleshanee

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert