[Belletristik] Der fürsorgliche Mr Cave

Ich habe selten Bücher gelesen, in denen ein Mensch die Hauptrolle übernimmt, der derart unsympathisch ist. Zu Beginn überwiegt das Mitleid, denn Mr. Cave hat nicht nur seine Mutter auf tragische Weise verloren, sondern auch seine Ehefrau und seinen Sohn. Seine Tochter ist als einzige Bezugsperson übriggeblieben, die nun seine volle Fürsorge abbekommt.

Dadurch, dass er aus der Ich-Perspektive von den Ereignissen erzählt und seine Tochter direkt anspricht, weiß der Leser von Anfang an, dass etwas passiert sein muss. Nur was dieses Etwas ist, bleibt bis zum Ende hin im Dunkeln, auch wenn sich gerade im letzten Viertel mehr und mehr herauskristallisiert, wo die Reise hingeht.

Die Antipathie der Hauptperson gegenüber verstärkt sich Seite zu Seite. Er redet permanent sehr abfällig, herablassend und arrogant über die Menschen, die ihn umgeben. Zunehmend wird er irrer und kommt dem Wahnsinn immer näher. Dadurch rutsch er in der Sympathieskala weiter runter und seine Tochter kann dem Leser einfach nur leidtun. Dadurch wird das Buch sehr deprimierend und zieht den Leser emotional sehr nach unten.

Diesen emotionalen Tiefgang erreicht Matt Haig dadurch, in dem er eindringlich und authentisch aus Sicht der Hauptfigur erzählt. Er beschreibt z.B. wie seine Gedanken immer wieder abschweifen und dem Leser fällt es zunehmend schwer, zwischen Realität und Wahnvorstellung und Erinnerung zu unterschieden. Ja, vielleicht fühlen sich Menschen, die dem Wahnsinn verfallen sind, tatsächlich so an. Es ist aber ein unangenehmes Gefühl, im Kopf eines solchen Menschen zu sein.

Es gibt nur einen Gegenpol. Cynthia, die Schwiegermutter der Hauptfigur, die ihm immer wieder versucht, die Augen zu öffnen. Aber sie läuft gegen Windmühlen, denn nach und nach fährt er alles auf, was ein stalkendes Elternteil aufbringen kann. Allerdings ist es teils ermüdend, dem Fanatismus des Vaters zu folgen, wenn er sich ein ums andere Mal etwas Neues einfallen lässt, wie er seiner Tochter zusetzen kann.

Fazit

Matt Haig schreibt emotionale Bücher, die den Leser berühren. Dies ist auch in diesem Buch der Fall. Nur zieht er den Leser zu sehr nach unten und gibt kaum ein Lichtblick frei. Vor allem im Mittelteil des Buchs wirkt die Szenerie etwas langatmig und ermüdend. Das gewählte Ende macht den Gesamteindruck dann nicht besser, auch wenn klar wird, weshalb die Hauptfigur diese Geschichte erzählt.

⚠️Triggerwarnung⚠️ Dieser Roman ist sehr düster und deprimierend. Er behandelt Trauer und Verlust, ohne zu einem positiven Ende zu finden.

buchcover

Titel: Der fürsorgliche Mr. Cave
Autor: Haig, Matt
Genre: Belletristik
Seitenzahl: 256
Verlag: Droemer Verlag

3/5

Originaltitel: The Possession of Mr Cave
Übersetzer: Sabine Hübner
Herkunft: England
Jahr: 2008 / 2022 (org./dt.)

Ich habe bisher drei Bücher von Matt Haig auf diesem Blog vorgestellt, die alle drei jedes auf seine eigene Art, eine wunderbare Geschichte erzählten. Die Cover sind mit den jeweiligen Rezensionen verlinkt.

Dieses Buch wurde mir über die Plattform Netgalley als E-Book zur Verfügung gestellt. NetGalley gibt keinerlei Vorgaben über die Art und Weise, wie Bücher bewertet oder vorgestellt werden. Mehr Infos dazu auf der Seite “Über diesen Blog“.

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2 Kommentare

  1. Hi Frank!

    Danke für den guten Einblick. Das Buch hat mich sehr neugierig gemacht, weil Matt Haig hier wohl mal etwas tiefer einsteigt, als es in seinen anderen Büchern der Fall ist. Das hab ich ja immer etwas bemängelt, und ich möchte das Buch auf jeden Fall versuchen – aber nicht zum jetzigen Zeitpunkt.
    Gerade so etwas düster/depressives möchte ich momentan einfach nicht lesen. Ich hab privat so viel um die Ohren, dass ich beim Lesen was zum ablenken brauche, was mich eher positiv stimmt oder einfach nur woanders hinbringt 😉

    Liebste Grüße, Aleshanee

    1. Hi Aleshanee,
      ja, wer derzeit eh etwas niedergeschlagen ist, sollte das Buch vielleicht tatsächlich meiden. Ich habe allerdings auch von Matt Haig ein solches Buch mit einer solchen Stimmung nicht erwartet. Er kann ja mit Worten gut umgehen und so schreiben, dass es mich berührt. Und ich glaube, dass genau das das Problem ist 😉
      Viele Grüße
      Frank

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