[Belletristik] Eine Familie in Deutschland

eine familie in deutschland

Titel: Eine Familie in Deutschland: Zeit zu hof­fen, Zeit zu leben.
Autor: Prange, Peter
Genre: Belletristik
Verlag: Fischer Scherz
Seitenzahl: 672
Wertung: ★★★★★
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Ich ken­ne kaum einen Menschen, der nicht der Frage nach­geht, wie er reagiert hät­te, wür­de er zu Zeiten der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland gelebt haben. Mit sei­ner fik­ti­ven Familiensaga zeigt Peter Prange, dass die Antwort alles ande­re als ein­fach ist.

Historisches Grundgerüst

Dafür bet­tet Prange das Leben einer fik­ti­ven Familie in ein his­to­ri­sches Grundgerüst und beleuch­tet dabei über alle Gesellschaftsschichten hin­weg, wel­ches Licht die dama­li­gen Ereignisse auf den Alltag der Menschen gewor­fen haben.

Auch wenn Prange im Vorwort und in sei­ner Danksagung schreibt, dass er sich für sei­ne Geschichte eini­ge erzäh­le­ri­sche Freiheiten her­aus­ge­nom­men hat, so fin­den sich doch sehr vie­le his­to­risch kor­rek­te Gegebenheiten in die­ser wie­der. Und zwar der­ge­stalt, dass sie zei­gen, wie gespal­ten die Menschen in den sechs Jahren vor Kriegsbeginn in den Jahren 1933 bis 1939 waren.

Erzählung

Dabei erzählt Prange sei­ne Geschichte mei­nes Erachtens abso­lut authen­tisch. Ich als Leser konn­te mich sehr wohl in die Lage der jewei­li­gen Charaktere ver­set­zen, die das Geschehen deut­lich weni­ger dra­ma­tisch sahen als es – wie wir im Nachhinein wis­sen – in Wirklichkeit war. Vor allem, wenn “geschichts­träch­ti­ge” Ereignisse, wie z.B. die Bücherverbrennung, eher als Randnotiz wahr­ge­nom­men wer­den, weil fami­li­en­all­täg­li­che Geschehnisse wich­ti­ger waren.

In die­sem Buch ist auf­fäl­lig, dass Prange mit teil­wei­se extrem kur­zen Kapitel ein eher für Thriller bekann­tes erzäh­le­ri­sches Stilmittel auf­greift, um das Erzähltempo durch­ge­hend hoch zu hal­ten. Aber es ist nicht nur der Erzählstil, der mir in die­sem Buch sehr gut gefal­len hat, son­dern auch die Ideen, mit denen Prange die Geschichte inter­es­sant macht. Wer zieht an wel­chem Faden und wel­che Folgen hat dies für den Rest der Familie? Das Buch ist voll von gro­ßen und klei­nen Impulsen, die in ihrer Subtilität zei­gen, wie das Gedankengut der Zeit die dama­li­gen Menschen geprägt hat.

Fazit

Auch wenn Prange sich die ein oder ande­re erzäh­le­ri­sche Freiheit her­aus­ge­nom­men hat, um sei­ne fik­ti­ve Geschichte in das his­to­ri­sche Gewand zu pres­sen, so hat mir die Erzählung nicht nur sehr gut gefal­len, son­dern auch zum Nachdenken ange­regt. Die Charaktere sind durch­weg sehr gut dar­ge­stellt und Prange zeigt sehr ein­dring­lich, wie die Menschen in der Vorkriegszeit über alle Gesellschaftsschichten hin­weg sich vom Nationalsozialismus haben beein­flus­sen las­sen bzw. wie das Geschehen ange­sichts des Alltags ver­harm­lost wur­de.

Gerade in der heu­ti­gen Zeit, in der Geschichtsvergessen lang­sam und ste­tig in unse­rer Gesellschaft Einzug erhält, ist ein sol­cher Blick auf die Vergangenheit mehr als nur rei­ne Unterhaltung. Von mir bekommt die­ses Buch eine unein­ge­schränk­te Leseempfehlung!

Zum Schluss noch der Hinweis, dass die­ses Buch als Zweiteiler kon­zi­piert ist und die jewei­li­gen Erzählstränge nicht zu Ende führt. Dies wird im zwei­ten Teil gesche­hen, der für Herbst 2019 erwar­tet wird.

 


… etwas am Rande …

auschwitzWie ver­un­si­chert die Deutschen in der dama­li­gen Zeit waren, zeigt auch das Projekt 1938: Posts from the Past. Mittels Briefen und Tagebucheinträgen von Zeitzeugen der dama­li­gen Zeit wird eben jene geteil­te Meinung deut­lich, die auch in dem Buch spür­bar ist. Menschen, die glaub­ten, dass das dami­li­ge Regime im Grunde genom­men nur Frieden woll­te und dass die Judenverfolgung ledig­lich von kurz­fris­ti­ger Natur sein. Aber auch jene, die früh genug die Gefahr erkann­ten und ihrer Heimat recht­zei­tig den Rücken kehr­ten, bevor sie es nicht mehr konn­ten.

Denn auch das wis­sen die wenigs­ten: Zu Kriegsbeginn konn­ten die Verfolgten in Deutschland gar nicht mehr flie­hen und das Land ver­las­sen. Nicht nur, dass Deutschland ihnen die Ausreise ver­wehr­te, so gab es auch kaum einen Staat, der die Flüchtlinge auf­neh­men woll­te.

Die Irrfahrt der St. Louis mach­te dies ganz beson­ders deut­lich, die Prange eben­falls in sei­ne Geschichte ein­ge­floch­ten hat. 937 Juden soll­ten (als Propaganda-Aktion) mit die­sem Luxusdampfer nach Kuba ver­schifft wer­den. Aber weder Kuba noch die USA noch Kanada woll­ten die Menschen in ihrem Land auf­neh­men. Erst als das Schiff zurück nach Europa fuhr, wur­de ihnen die Einreise in Frankreich, Belgien, Holland und England gestat­tet. Nur um dann nach Kriegsbeginn wie­der im Herrschaftsbereichs des NS-Regims um ihr Leben ban­gen zu müs­sen.


 

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