[Biografie] Du darfst nicht alles glauben, was du denkst: Meine Depression

Man könn­te ja mei­nen, dass es mitt­ler­wei­le bekannt sein soll­te, dass eine Depression eine schwer­wie­gen­de Erkrankung ist, die nicht mit einem Spaziergang in der Sonne oder einem auf­hei­tern­den Witz bei­sei­te gescho­ben wer­den kann. Und dann hört man doch wie­der die Menschen, die sich über Depressive lus­tig machen als schlech­te Laune ver­brei­ten­de Simulanten.

Man könn­te auch mei­nen, dass Depressionen bei Künstlern wei­ter ver­brei­tet ist als bei den Normalos. Ich glau­be jedoch, dass das täuscht. Den Künstlern hören ein­fach nur mehr Menschen zu. So wie z.B. Kurz Krömer, der in die­sem Buch genau jene Menschen anspre­chen möch­te, die von ihrer Krankheit noch gar kei­nen blas­sen Schimmer haben. So wie er selbst.

Kurt Krömer (ja, ich weiß, dass es sein Künstlername ist, aber ich behal­te ihn an die­ser Stelle bei) erzählt sehr inten­siv von sei­ner Erkrankung, wie er damit gelebt hat, ohne von ihr zu wis­sen und wel­chen Einfluss sie auf ihn gehabt hat. Es ist aber kein „Inspirationsbuch“, nach des­sen Lektüre man sei­ne „Resilienz“ erfah­ren wird, um ein­fach mal zwei typi­sche Schlagwörter in den Raum zu wer­fen, die zwar sehr modern sind, aber mit dem Buch nichts gemein haben. Kurt Krömer beschreibt aus sei­nem Leben, das sicher­lich ein­zig­ar­tig sein dürf­te. Ich ken­ne zumin­dest kei­nen ande­ren allein­er­zie­hen­den Vater mit vier Kindern und einer erfolg­rei­chen Karriere als Künstler.

Er erwähnt sehr oft in sei­nem Buch, dass sei­ne Umstände beson­de­re waren (was ich ihm auch unge­le­sen glau­ben wür­de), möch­te aber den­noch auf typi­sche Symptome bei Depressiven auf­merk­sam machen, die dann doch bei vie­len gleich sind. Die Sprachwahl ist dabei typisch Krömer: In einer Berliner Direktheit, die dem Lektorat ein wenig Beileid beschei­ni­gen. Er nimmt in sei­nen Sendungen kein Blatt vor den Mund und bringt auch schwie­ri­ge Themen mit sei­nem tro­cke­nen Humor sehr belebt rüber. Man muss ihn als Künstler noch nicht mal ken­nen, um die­ses Buch anspre­chend zu fin­den.

Fazit

Wer an einer sel­te­nen Erkrankung lei­det, der kennt es, dass man von Pontius nach Pilatus geschickt wird, bis end­lich irgend­ei­nem Arzt der zün­den­de Funke ins Gehirn schießt. Aber bei einer Depression? Es ist erstaun­lich und auch ein stück­weit erschre­ckend, wel­chen Leidensweg Kurt Krömer hin­ter sich hat. Der nicht hät­te sein müs­sen. Dies ist ein Erfahrungsbericht eines Mannes, der sei­ne schwe­ren Depressionen hin­ter sich gelas­sen hat. Ich wün­sche ihm, dass es auch so bleibt.

Kurt Krömer bezieht sich in die­sem Buch auf die Sendung “Chez Krömer – Zu Gast: Torsten Sträter”, in dem er sich als Depressiver outet. Dieses Video ist aus der ARD-Mediathek ver­linkt und ver­füg­bar bis zum 19.03.2023, 23:59 Uhr

Triggerwarnung: Dieses Interview beschäf­tigt sich mit Depressionen und Suizidgedanken. Der rbb hat auf sei­ner Website Infos und Hilfsangebote zum Thema Depressionen zusam­men­ge­stellt.

Wer bei sich selbst oder einem Angehörigen Merkwürdigkeiten ent­deckt, die auf eine Depression oder gar einen bevor­ste­hen­den Selbstmord hin­deu­ten, der wen­de sich an die kos­ten­frei­en Nummern der Notfall-Seelsorge und Suizid-Prävention:

0800 111 0 111 (ev)
0800 111 0 222 (rk)
0800 111 0 333 (für Kinder und Jugendliche)

Noch mehr Informationen und Hilfsangebote für Betroffene fin­den sich im Internet unter suizidprophylaxe.de. Dort gibt es auch ein paar inter­es­san­te Gedanken zur Wortwahl. So fällt im vor­lie­gen­den Buch kein ein­zi­ges Mal das Wort “Selbstmord”, son­dern es ist ledig­lich vom Suizid die Rede. Nicht, dass Uwe Hauck und sei­ne Familie sei­nen Selbstmordversuch zu beschö­ni­gen ver­su­chen und sie ver­wen­den auch nicht den unan­ge­brach­ten Begriff des “Freitods”, aber den­noch fin­de ich die Wortwahl inter­es­sant.

buchcover

Titel: Du darfst nicht alles glau­ben, was du denkst: Meine Depression
Autor: Krömer, Kurt
Genre: Autobiografie
Seitenzahl: 192
Verlag: Kiepenheuer & Witsch Verlag

5/5

Herkunft: Deutschland
Jahr: 2022

Dieses Buch wur­de mir über die Plattform Netgalley als E‑Book zur Verfügung gestellt. NetGalley gibt kei­ner­lei Vorgaben über die Art und Weise, wie Bücher bewer­tet oder vor­ge­stellt wer­den. Mehr Infos dazu auf der Seite “Über die­sen Blog”.

2 Kommentare

  1. Huhu Frank,

    tol­le und wich­ti­ge Rezension – vor­al­lem auch wegen der gan­zen Hinweise wohin sich Betroffene wen­den kön­nen! Ich habe mir das Buch bei Bookbeat schon auf die Merkliste gepackt, weil ich nun schon mehr­fach nur Gutes dar­über gele­sen habe.

    LG Tanja

    1. Hallo Tanja,

      vie­len herz­li­chen Dank. Ich dach­te mir, dass wenn schon das Thema “Depression” so im Zentrum steht, dann soll­te direkt Hilfe mög­lich sein, wenn jemand ange­trig­gert wird. Ich fin­de es wich­tig, dass die Menschen wis­sen, dass es zum einen mehr als nur ein Schnupfen ist und zu ande­ren, dass ihnen gehol­fen wer­den kann.
      Da er das Hörbuch selbst ein­ge­spro­chen hat, ist das sicher­lich noch­mals emp­feh­lens­wert.

      Viele Grüße
      Frank

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