Ich frage mich ja manchmal, warum Menschen die niedergeschriebenen Erinnerungen von Angela Merkel kaufen, wenn sie doch schon im Vorfeld wissen, dass sie ihnen nicht gefallen werden, weil ihnen die ehemalige Bundeskanzlerin unsympathisch ist. Nun, so oder so war zum Zeitpunkt, als ich diese Zeilen geschrieben habe, die erste Auflage beim KiWi-Verlag vergriffen gewesen.
Nichts gegen Beate Baumann, aber ich glaube, dass es den Erinnerungen von Angela Merkel gutgetan hätte, wenn jemand die Schreibfeder in der Hand gehabt hätte, der ein wenig emotionaler und begeisterter schreiben kann. Frau Dr. Merkel war ja nicht nur 16 Jahre Bundeskanzlerin, sondern sie hat sehr viele Weichen gestellt und sehr vieles im Leben erlebt.
Der etwas kühle, beinah schon distanzierte Schreibstil, zeigt sich z.B. an dem für Angela Merkel hochemotionalen Tag, dem 22. November 2005. Dieser Abschnitt lässt wegen kleinerer Anmerkungen vermuten, was in der ersten Bundeskanzlerin am Tag ihrer Ernennung vorgegangen sein muss. Im Buch ist es eher eine recht kleingliedrige Erzählung von nackten Tatsachen.
Dadurch können so manche Passagen bzw. Abschnitte sehr trocken dem Leser ins Hirn rieseln. Momente, in denen ich quergelesen habe. Ansprechender fand ich die Erzählungen von der Zeit vor der großen Politik. Viele scheinen zu vergessen, dass auch Prominente einfach mal Kinder, Jugendliche und Studenten waren. Dadurch, dass ich ein Kind des Westens bin, fand ich es spannend zu lesen, wie Ostdeutsche die Wende erlebt und wie sie sich gefühlt haben. Für mich hatte sich nichts geändert und die fallende Mauer war sehr weit entfernt. Für die Ostdeutschen hingegen änderte sich alles. Dies transportiert die Kanzlerin a.D. sehr gut.
Es liegt doch auf der Hand, dass sich in diesem Buch keine Offenbarungen, Abrechnungen, Anschuldigungen, verdeckte Intrigen, Geheimnisse aus der Amtszeit oder sonstige »Whistleblower-Inhalte« befinden. Hier scheint so manche Erwartungshaltung etwas zu hoch gegriffen zu sein.
Was die Leserschaft sehr wohl erwarten kann, sind Einblicke hinter die Kulissen großer Ereignisse und Erklärungen für mediale Ereignisse, die sich für Merkel unerwartet hochgespielt haben, wie z.B. der »Schultergriff« von George W. Bush oder der berühmte Satz »Wir schaffen das.«. Wer eine Autobiografie einer Politikerin liest, muss sich selbstverständlich auf sehr viel politische Erzählungen und geschichtsträchtige Ereignisse interessieren. Für mich liegt dies auf der Hand, für jemand anderen muss ich das offensichtlich explizit erwähnen.
Fazit
Angela Merkel erinnert sich in diesem Buch an 67 Jahre ihres Lebens. In ihrem Nachwort schreibt sie, dass sie nicht nur zwei Jahre an diesem Buch geschrieben hat, sondern sich immer wieder schwertat, die Erinnerungen aus dem Vergessen hochzuholen. Sie hat es offensichtlich geschafft und enorme 700 Seiten damit füllen können. Nicht alles fand ich ansprechend und zu viele Abschnitte waren für mein Gefühl zu trocken. Dennoch fand ich es hochspannend, mal hinter die Kulissen der großen Politik zu schauen und die Beweggründe zu erfahren, weshalb bestimmte Entscheidungen getroffen wurden.
Titel: Freiheit: Erinnerungen 1954 – 2021
Autor: Merkel, Angela; Baumann, Beate
Genre: Autobiografie
Seitenzahl: 736
Verlag: KiWi
Herkunft: Deutschland
Jahr: 2024
Dieses Buch wurde mir über die Plattform Netgalley als E‑Book zur Verfügung gestellt. NetGalley gibt keinerlei Vorgaben über die Art und Weise, wie Bücher bewertet oder vorgestellt werden. Mehr Infos dazu auf der Seite “Über diesen Blog”.
Werbung
Die Verweise zu Amazon sind mit Affiliate-Links (Link zum Buch) versehen. Das heißt, dass mit einem Kauf über einen dieser Links, ich von Amazon eine kleine Provision erhalte. Auf den Preis hat das keine Auswirkung.
Der Büchernarr schreibt hauptsächlich über Bücher aus den Genres Fantasy und Horror. Manchmal schleichen sich Bücher anderer Genres in diesen Buchblog ein, so dass hier auch Biografien, historische Romane oder Kinderbücher zu finden sind.