[Biografie] Ich fliege mit zerrissenen Flügeln

Jeder Mensch ist ein­zig­ar­tig und ver­fügt über ein indi­vi­du­el­les Wesen. Es gibt aber auch Menschen, die deut­lich ein­zig­ar­ti­ger sind als ande­re Menschen. Wie z.B. Raphael Müller, der als 14-Jähriger eine Autobiografie schrieb. Diese ist des­halb inter­es­sant zu lesen, weil er so gar nicht unser gesell­schaft­li­ches System passt und so auf­zeigt, wie behin­der­te Kinder vor­zugs­wei­se weg­ge­sperrt als in die Gesellschaft inklu­diert wer­den.

Dabei kom­men in sei­nem Fall meh­re­re Besonderheiten zum Tragen. Durch einen Schlaganfall im Mutterleib hat er Krankheit erwor­ben, deren Namen der­art kom­pli­ziert ist, dass ich sie gar nicht erst an die­se Stelle auf­schrei­be, weil der Leser die­sen aller Wahrscheinlichkeit nach eben­so schnell ver­gisst wie ich. Das Besondere an Raphael Müller ist dann auch die Form, wie sich sei­ne Behinderung offenbart(e). Er hat schon sehr früh sei­ne Umwelt wahr­ge­nom­men und hat sich vie­les auto­di­dak­tisch bei­gebracht, ohne aber mit sei­ner Umwelt kom­mu­ni­zie­ren zu kön­nen. Dadurch dach­te sein Umfeld, dass er nur ein Bruchteil des­sen mit­be­kommt, wie es in Wirklichkeit war. Es ist kaum vor­stell­bar, wie ver­zwei­felt ein Mensch sein muss, der in einer sol­chen Situation fest­steckt und eben­so kaum vor­stell­bar, welch Freude oder Glück es bedeu­tet, wenn dies plötz­lich mög­lich ist.

Raphael Müller beschreibt in sei­nem Buch sehr sach­lich, wie er es emp­fand in die­sen Situationen zu ste­cken und wie es ihm dabei erging. Die Kraft sei­ner Sprache liegt dann auch nicht in aus­ufern­den Erklärungen und Schilderungen, son­dern er kommt schnell auf den Punkt, was ver­mut­lich auch ein wenig der Art und Weise geschul­det ist, wie er über­haupt kom­mu­ni­zie­ren kann. Er benö­tigt dafür eine wei­te­re Person, mit der er mit­tels gestütz­ter Kommunikation Texte ver­fas­sen kann. Sprechen kann er nicht.

Ihm haben es Gedichte ange­tan und er ver­fasst sehr ger­ne Gedichte über bestimm­te Situationen. Je wei­ter das Buch vor­an­schrei­tet, umso domi­nan­ter wird die­se Erzählform. Der Leser soll­te also die­ser Erzählform nicht abge­neigt sein. Und so erzählt er wei­ter, mit wel­cher Freud aber auch Leid er sein Leben bis zu die­sem Punkt gelebt hat. Dabei kommt nicht nur immer wie­der sein Wunsch zum Vorschein, dass er nicht weg­ge­sperrt wer­den woll­te und am liebs­ten mit Gleichaltrigen umge­ben war, son­dern auch lei­der in Deutschland für Behinderte Normalitäten, dass sie teils Monate auf ihre Hilfsmittel wie z.B. einen Rollstuhl war­ten müs­sen, auch wenn es damit ein­her­geht, dass der Behinderte Folgeschäden davon­trägt.

Fazit

Wer selbst von Ausgrenzung betrof­fen war, setzt sich für Inklusion ein. Raphael Müller ist zwar kein Aktivist, aber er macht mit sei­ner Autobiografie nicht min­der deut­lich, wie wich­tig es ist, einen Weg zu fin­den, Menschen mit Einschränkungen nicht weg­zu­sper­ren und von ande­ren Menschen ohne Einschränkungen abzu­gren­zen. Natürlich ist dies nicht ein­fach, was auch der Autor weiß. Aber er kann von sei­nen Glücksmomenten berich­ten, in denen die­se Inklusion tat­säch­lich funk­tio­nier­te. Wer ger­ne Biografien liest, soll­te auf jeden Fall einen Blick ris­kie­ren.

Wie es Raphael Müller heu­te geht, lässt sich nicht so ohne wei­te­res in Erfahrung brin­gen. Die Website ist wei­test­ge­hend ver­weist und in den sozia­len Medien taucht er nicht auf. Er hat die­se Autobiografie 2014 geschrie­ben. Seine Trilogie Asa und Gasa erschien von 2015 bis 2016. 2017 erschien sein bis­her letz­tes Buch „Osteraugen“. Seither ist es ruhig um ihn gewor­den. Ich wün­sche ihm und sei­ner Familie, dass sie wei­ter­hin einen Weg durch ihr außer­ge­wöhn­li­ches Leben gefun­den haben.
buchcover

Titel: Ich flie­ge mit zer­ris­se­nen Flügeln
Autor: Müller, Raphael
Genre: Autobiografie
Seitenzahl: 176
Verlag: Fontis Verlag

5/5

Herkunft: Deutschland
Jahr: 2014

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