[Dokumentation] Die Bombe

Im Krieg gibt es kei­ne Gewinner. Sehr deut­lich wird dies, wenn ein Blick auf die Entwicklung der Atombombe gewor­fen wird. Und natür­lich auf deren ers­ten und bis­her ein­zi­gen Einsatz in einem Krieg. Anlässlich der 75. Jährung des Bombenabwurfs auf Hiroshima und Nagasaki im Jahre 2020 hat­te das Künstler-Trio Didier Alcante, Laurent-Frédéric Bollée und Denis Rodier die sehr umfas­sen­de Graphic Novel nach vier­jäh­ri­ger Arbeit her­aus­ge­bracht.

Es war der Schatten auf einer Treppe, der den ent­schei­den­den Impuls gab, die­se Graphic Novel zu ent­wer­fen. Es ist der Schatten eines Mannes, der zum Zeitpunkt des Abwurfs dort geses­sen hat und des­sen Antlitz sich in die Treppe ein­ge­brannt hat. Was moch­te des­sen Geschichte sein? Diese Frage trieb den Autor um und in einer Nebenerzählung gibt er den Menschen in Hiroshima in die­sem Buch eine Stimme.

Neben die­sen fik­ti­ven Handlungselementen besticht die Graphic Novel aller­dings haupt­säch­lich durch die detail­ver­lieb­te Recherche, wie die Kernspaltung ent­deckt und für den Entwurf der Bombe ver­wen­det wur­de. Schon zu Beginn der Machtergreifung der Nazis wur­de der Antisemitismus deut­lich und trieb den ein oder ande­ren Wissenschaftler aus Deutschland her­aus. Wer denkt, dass die Flüchtlinge aus dem drit­ten Reich in den USA mit offe­nen Armen emp­fan­gen wur­den, der täuscht. Selbst hoch­ran­gi­ge Wissenschaftler, die an der Entwicklung der Bombe betei­ligt waren, wur­den als poten­ti­el­le Bedrohung für die USA ange­se­hen.

Diese Ausländer wur­den in den USA als Enemy Aliens bezeich­net, was in etwa mit feind­li­che Ausländer zu über­set­zen ist. Über 10.000 Geflüchtete (nicht nur aus Deutschland) wur­den mehr oder min­der grund­los inhaf­tiert. Auch dies wur­de in einer Graphic Novel the­ma­ti­siert (aller­dings vor einem ande­ren Hintergrund) und als “They cal­led us Enemy” ver­öf­fent­licht.

Die Vermischung von Fakten mit dem ein oder ande­ren fik­ti­ven Einschub macht die­se Graphic Novel extrem viel­sei­tig. Allerdings muss ich sagen, dass die poli­ti­schen Ränkeschmiederein im Vordergrund ste­hen. Quasi per­ma­nent fin­det ein Wettrüsten statt. Zuerst geht es um den Kampf um die Uranmienen, spä­ter um die Entwicklung der Bombe und anschlie­ßend um das Wettrüsten. Dadurch, dass das Buch nicht von Amerikanern geschrie­ben wur­de, die den Abwurf der Bombe teils heu­te noch heroi­sie­ren, fin­den auch sehr kri­ti­sche Töne Platz in dem Buch, wie z.B. der Test, wel­che Auswirkung Plutonium auf den mensch­li­chen Körper hat, den Ärzte ohne Wissen der Patienten durch­ge­führt haben. In den USA wohl­ge­merkt.

In die­ser Gephic Novel fin­den sich neben den poli­ti­schen Geschehnissen und Kriegsereignissen auch sehr vie­le tech­ni­sche Details. So wird z.B. in ein­fa­chen Worten mal eben die Funktionsweise eines Atom-Meilers erklärt. „Aufgelockert“ wird die Geschichte durch den Erzähler. Der Tod mel­det sich hier zu Wort und gibt eini­ge Hintergründe zu den jewei­li­gen Ereignissen preis. Ein sehr gut gemach­ter Schachzug.

Am Ende kris­tal­li­siert sich her­aus, dass eine Frage auch heu­te noch gestellt wer­den muss: War es über­haupt not­wen­dig, dass die USA durch den Abwurf zwei­er Atombomben bewei­sen muss­ten, dass sie dazu fähig waren? War es wirk­lich nur eine Machtdemonstration oder war es nicht viel­mehr der ers­te Freifeldversuch, um die Wirkung einer Atombombe zu tes­ten? Es hat fast den Anschein, als wäre der Abwurf ver­meid­bar gewe­sen und vor allem die letz­ten Kapitel wer­fen einen Blick auf die kon­tro­ver­sen Diskussionen, die in den USA geführt wur­den.

Die Zeichnungen sind durch­weg in schwarz-weiß gehal­ten und ver­mit­teln einen sehr guten Eindruck von der Handlung. Sehr gut fand ich dabei, dass die Schrecken des Kriegs nicht bru­tal und in allen Details dar­ge­stellt wur­den, son­dern teils abs­tra­hiert und etwas ver­schwom­men. Der Schrecken dürf­te bei jun­gen Lesern aller­dings den­noch tief sit­zen, denn der Eindruck wird fast wie bei einem impres­sio­nis­ti­schen Gemälde ver­mit­telt und schafft es somit, Gefühle aus dem Leser her­aus­zu­kit­zeln.

Fazit

Auf knapp 470 Seiten wird vom Anfang bis zum Ende erzählt, wie die Atombombe ent­stan­den ist. Es ist eine umfas­sen­de und sehr detail­rei­che Erzählung, die auch einen Blick auf zahl­rei­che Nebenschauplätze wirft. Durch den Einschub eini­ger fik­ti­ver Handlungselemente gewinnt die Graphic Novel neben dem doku­men­ta­ri­schen einen span­nen­den Charakter. 

Es ist eine sehr umfang­rei­che und text­las­ti­ge Graphic Novel, die sehr auf­wüh­lend sein kann, aber zeigt, wie wich­tig es ist, dass der­ar­ti­ge Ereignisse nicht in Vergessenheit gera­ten.

die bombe

Das Buch macht einen sehr hoch­wer­ti­gen Eindruck. Es ist ein Hardcover, das ordent­lich gebun­den ist, so dass es nach oder wäh­rend des Lesens nicht aus­ein­an­der­fällt. Das rote Bändchen ist für ein Buch in die­ser Qualität eine sehr gute Wahl.

Dieses Buch macht sehr deut­lich, dass es in Kriegen kei­nen Gewinner gibt, egal wie stark er ist und egal wie sehr er das von sich glaubt. Wie aktu­ell die­ses Buch ist, zeigt die aktu­el­le Situation in der Ukraine. Man ist geneigt, den Herrschenden die­ses Buch ans Herz zu legen, damit sie aus der Geschichte ler­nen kön­nen.

Er [H.G. Wells] sag­te auch, die ein­zi­ge Rettung sei es, die Erde zu ver­las­sen und zu ande­ren Planeten zu rei­sen. […] um die Menschheit zu ret­ten.

achtung explizite gewaltdarstellung

⚠️Achtung⚠️Dieses Buch ent­hält expli­zi­te Kriegs-Darstellungen die auf jun­ge Leser ver­stö­rend wir­ken kön­nen.

Auf der Website des Carlsen Verlags gibt es eine sehr gut gemach­te Landing Page, die vie­le Details des Buchs zeigt.

Ausgewählte Internetseiten zum Buch, die sich auch hin­ten als wei­ter­füh­ren­de Links ange­ge­ben sind:

buchcover

Titel: Die Bombe – 75 Jahre Hiroshima: Die Entwicklung der Atombombe
Autor: Alcante, Didier; Bollée, Laurent-Frédéric
Illustrator: Rodier, Denis
Genre: Graphic Novel
Seitenzahl: 472
Verlag: Carlsen Verlag
Band: 1 von 1

5/5

Originaltitel: La Bombe
Übersetzer: Pröfrock, Ulrich
Herkunft: Frankreich
Jahr: 2020 (org./dt.)

graphic novels comics

In mei­ner per­sön­li­chen Übersicht der emp­feh­lens­wer­ten Comics und Graphic Novels fin­den sich vie­le lesens­wer­te und zum Teil sehr beein­dru­cken­de Werke, die alle auf ihre Art und Weise einen Blick wert sind.

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