[Dystopie] Dry

dry

Titel: Dry
Autor: Shusterman, Neal; Shusterman, Jarrod
Genre: Dystopie
Seitenzahl: 336
Verlag: FISCHER Kinder- und Jugendbuch
Wertung: ★★★★☆
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Was pas­siert mit einer Gesellschaft, wenn plötz­lich von heut auf mor­gen die Wasserversorgung zusam­men­brä­che? Dieses düs­te­res Szenario schil­dert der Autor Neal Shustermann in der Dystopie “Dry”, die er zusam­men mit sei­nem Sohn Jarrod geschrie­ben hat.

Das Positive

Die Erzählweise ist recht inter­es­sant, denn es wird immer aus der jewei­li­gen Sicht eines Jugendlichen bzw. jun­gen Erwachsenen erzählt, wel­che Auswirkungen der Wassermangel auf die Familie und die Umgebung hat. Geschickt wer­den nach und nach wei­te­re Figuren der Geschichten hin­zu­ge­fügt, die eben­falls aus ihrer Sicht den Leser am Geschehen teil­ha­ben las­sen.

Zwischendrin wer­den über sog. Snapshots Nebenschauplätze beleuch­tet, die außer­halb des roten Fadens das Gesamtbild der Situation abrun­den. Beide Stilelemente haben mir sehr zuge­sagt und haben die Erzählung und somit auch den Leser durch das Buch getrie­ben. Das Erzähltempo ist somit erfreu­lich hoch.

Die Anzahl der Charaktere war nicht nur über­schau­bar, son­dern auch gut gewählt. Es gibt einen bun­ten Mix an unter­schied­li­chen Typen, um der Geschichte den gewis­sen Pfiff zu geben.

Die Kritik

Da es sich um einen dys­to­pi­schen Jugendroman han­delt, mag ich ver­zei­hen, dass bei­de Elternteile wäh­rend einer Krise ihre bei­den Kinder allei­ne las­sen und prompt nicht wie­der auf­tau­chen. Auch dass die Krise die Menschen unbe­re­chen­bar macht und die­se recht aggres­siv und hirn­los auf­ein­an­der los­ge­hen. Dass die dehy­drier­ten Menschen zu “Wasserzombies” wer­den, ist ange­sichts des noch anhal­ten­den Zombiehypes eben­falls noch akzep­ta­bel.

Dass aller­dings eine Volkswirtschaft wie die USA sich von einer Wasserkrise der­art über­rum­pelt lässt und “plötz­lich” drei­und­zwan­zig Millionen Menschen ohne jeg­li­che Wasserversorgung daste­hen, ist dann aber ein doch recht unrea­lis­ti­sches Szenario, zumal Kalifornien auch heu­te schon mit diver­sen Dürren und Waldbränden zu kämp­fen hat und es die Region nicht über­ra­schend tref­fen wird.
In Afrika schaf­fen es die Hilfsorganisationen Flüchtlingslager für zwei­hun­dert- bis vier­hun­dert­tau­send Menschen zu errich­ten und in den USA noch nicht mal eines für ein paar Tausend Menschen?

Ich per­sön­lich fand das Szenario auch vor dem Hintergrund, dass es sich um einen über­zeich­ne­ten Jugendroman han­delt, zu über­trie­ben und zu fern­ab jeg­li­cher Realität. Ich konn­te nicht wirk­lich den Hauch einer Authentizität ver­spü­ren.

Man kann dem Autor viel­leicht zu gute hal­ten, dass es die Klimaskeptiker (allen vor­an der aktu­el­le US-Präsident Donald Trump) sind, die von den Folgen des Klimawandels “über­rascht” wur­den und wie arg die Umweltfolgen in den USA ver­sucht wer­den, weg­zu­dis­ku­tie­ren (erfolg­los ver­steht sich), auch wenn das nicht so direkt im Buch the­ma­ti­siert wird und eine unter­ge­ord­ne­te Rolle spielt, wie es so weit hat kom­men kön­nen.

“Auf die­ser Welt herrscht unend­li­che Kurzsichtigkeit.”
bei ca. 60% des E‑Books

Fazit

Das Buch hin­ter­lässt einen zwie­späl­ti­gen Eindruck. Wenn ich das Szenario ein­fach mal als gege­ben hin­neh­me, so ist es durch­aus lesens­wert und kann mit Abwechslung und einer inter­es­san­ten Charakterentwicklung punk­ten.

Aber so gänz­lich aus­blen­den kann ich das Szenario aller­dings nicht (wie die fol­gen­den Abschnitte zei­gen, die ich nur hier auf dem Blog ver­öf­fent­licht habe). Zu oft frag­te ich mich, wes­halb die offi­zi­el­len Stellen so untä­tig sind. Dies über­schat­tet mei­nem Eindruck nach das gesam­te Buch.

Nur kurz fla­ckert auf, dass Solidarität oft­mals eine erfolg­rei­che­re Strategie ist als sinn­lo­se Gewalt und ein pöbeln­der Mob. Wie wer­den Menschen wirk­lich in einer sol­chen Kriese reagie­ren? Diese Antwort blei­ben mei­ner Meinung nach die Autoren dem Leser lei­der schul­dig.
Vor allem, weil sich das Buch an Jugendliche rich­tet, hät­te hier ein biss­chen mehr Wert auf Realismus gesetzt wer­den kön­nen, zumal sich der Stoff mei­ner Meinung nach wirk­lich sehr gut für eine Utopie geeig­net hät­te.

wasser

Zusätzliche Informationen

In den fol­gen­den Kapitel gehe ich weit über die Infos hin­aus, die für eine Buchbesprechung not­wen­dig sind. Dennoch möch­te ich mit dem inter­es­sier­ten Leser die Informationen tei­len, die ich vor dem, bei dem und nach dem Lesen des Buchs gesam­melt habe.

Potential Meerwasserentsalzung

Ein Zitat aus dem Buch bei ca. 8% des E‑Books: “[…] drei­und­zwan­zig Millionen Menschen ohne Wasser […] Entlang der Küste kom­men mobi­le Wasserentsalzungsanlagen zum Einsatz, um Meerwasser in Trinkwasser umzu­wan­deln.”

Bei einem Wasserbedarf von 1,5 Liter Wasser pro Person und Tag ent­sprä­che das einem Verbrauch von gut 35 Tausend Kubikmeter Wasser pro Tag, um alle drei­und­zwan­zig Millionen Menschen mit Trinkwasser zu ver­sor­gen.

Heutzutage (also im Jahre 2019) sind welt­weit 15.906 Meerwasser-Entsalzungsanlagen in Betrieb, die pro Tag 95 Millionen Kubikmeter Trinkwasser pro­du­zie­ren. Diese Zahlen ent­stam­men einer Studie des Instituts für Wasser, Umwelt und Gesundheit der Universität der Vereinten Nationen (UNU-INWEH) im kana­di­schen Ontario, in der die Problematik der Meerwasserentsalzung the­ma­ti­siert wird. Allein in Dubai steht eine Anlage, die zwei Millionen Kubikmeter Trinkwasser pro Tag pro­du­ziert.

Eine grö­ße­re mobi­le Anlage eines deut­schen Anbieters kann bis zu zehn­tau­send Kubikmeter Frischwasser pro Tag pro­du­zie­ren und ver­braucht dabei drei­ßig bis vier­zig­tau­send Kilowattstunden an Energie.

Wenn wir mal davon aus­ge­hen, dass Energie in den USA durch­aus vor­han­den ist (auch wenn in dem Buch die Kraftwerke als Folge der Unruhen aus­fal­len), so wür­den vier bis fünf sol­cher gro­ßen mobi­len Anlagen aus­rei­chen, um in einer Krisensituation aus­zu­hel­fen.

Bei der Meerwasserentsalzung fal­len neben dem Trinkwasser natür­lich die Salze und sons­ti­gen Inhaltsstoffe an, die nicht ins Trinkwasser gelan­gen dür­fen (Schwermetalle, Bakterien, Viren, sons­ti­ge Giftstoffe). Ohne hier wei­ter ins Detail gehen zu wol­len, so wird auf die­sem Gebiet mas­siv geforscht, um die nega­ti­ven Auswirkungen einer Meerwasserentsalzung zu begren­zen. Gleichzeitig wer­den Wasseraufbereitungsanlagen gebaut, die aus Brauchwasser wie­der Trinkwasser machen. Brauchwasser oder auch brau­nes Wasser ist das klas­si­sche Abwasser aus der Kanalisation.

Heutiger Krieg ums Wasser in den USA

Dennoch merkt man schon heu­te den Krieg ums Wasser in Kalifornien. Denn es geht mit­nich­ten nur um die Wasserversorgung der Menschen, son­dern es geht um die rie­si­gen land­wirt­schaft­li­chen Flächen, die mit dem kost­ba­ren Gut bewäs­sert wer­den. Witzigerweise gibt es sogar stel­len­wei­se loka­le Richtlinien, dass auch pri­va­te Grünflächen zu pfle­gen und zu bewäs­sern sind.

Wie in den USA gern gese­hen, ist auch die Wasserversorgung teil­wei­se nicht nur zen­tra­li­siert, son­dern auch pri­va­ti­siert wor­den. Das hat zur Folge, dass ein pfif­fi­ger Unternehmer im Winter Wasser güns­tig kauft und sei­ne Reservoirs füllt, nur um das Wasser im Sommer zu hor­ren­den Preise wie­der an die Städte und Gemeinden zu ver­kau­fen.

Es gab sogar einen Plan, eine Trinkwasserleitung aus den was­ser­rei­chen Bundesstaaten in die was­ser­ar­men Bundesstaaten zu ver­le­gen. Gescheitert ist es bis­her an den Kosten.

So oder so bleibt es span­nend, wie die USA mit der noch immer welt­weit stärks­ten Volkswirtschaft, auf die­ses Problem reagie­ren wird.

Und in Deutschland?

Hier sieht es nicht unbe­dingt bes­ser aus, auch wenn immer wie­der behaup­tet wird, dass “die Deutschen die Klimaweltmeister” sind. Mit dem Erstarken der Rechtspopulisten nimmt auch die Zahl der sog. Klimaskeptiker zu. So heißt es z.B. im Wahlprogramm der AfD:

“Die Aussagen des Weltklimarats, dass Klimaänderungen vor­wie­gend men­schen­ge­macht sei­en, sind wis­sen­schaft­lich nicht gesi­chert. Sie basie­ren allein auf Rechenmodellen, die weder das ver­gan­ge­ne noch das aktu­el­le Klima kor­rekt beschrei­ben kön­nen.

Nun könn­te ich ein­fach schrei­ben, dass es nicht stimmt und sich die Herren viel­leicht mal mit die­ser Seite der Klimaforscher aus­ein­an­der­set­zen sol­len. Oder aber ich zei­ge ein­fach die­se Grafik, die einem Beitrag aus dem Scilog “Klimalounge” des Spektrum-Verlag aus dem Jahre 2017(!) ent­nom­men ist (inkl. Bildunterschrift und Quellenangabe):

CO2 Anstieg Atmosphäre
Die CO2-Konzentration der Atmosphäre im Verlauf des Holozän, gemes­sen an den Eisbohrkernen der Antarktis bis 1958, danach Mauna Loa. Quelle: Scripps Institution of Oceanography.

Und nun sagen die Skeptiker, dass die­ser Anstieg, der am Ende der Skala zu sehen ist, nicht von Menschen gemacht ist. Und ganz neben­bei bemerkt: Einen sol­chen schnel­len Anstieg des CO2-Gehalts in der Atmosphäre hat es bis­her noch nie gege­ben. Es ist die Kürze der Zeit, die erschre­ckend ist.

In der Klimalounge wer­den übri­gens zahl­rei­che “Thesen” der Klimaskeptiker beleuch­tet. Unter ande­rem set­zen sich die Autoren auch mit den Aussagen der AfD aus­ein­an­der. Sehr lesens­wert!

Nun bin ich am Ende doch poli­ti­scher gewor­den, als ich es bei Buchbesprechungen für gewöhn­lich bin. Man sehe es mir nach, aber der Klimawandel ist mei­ner Meinung nach ein zu schwer­wie­gen­des Thema, als dass man es ein­fach so vom Tisch keh­ren soll­te.


NG Challenge 13Dieses Buch wur­de mir über die Plattform Netgalley zur Verfügung gestellt. Diese Rezension wur­de im Rahmen der NetGalleyDE Challenge ver­öf­fent­licht, die vom 09.05. bis 06.06. läuft.
Alle Informationen zu die­ser Challenge fin­den sich in einem Beitrag des NetGalley-Blogs.
Weitere Hinweise zu Rezensionsexemplaren fin­det sich auf der Verlagsübersichtsseite.
Die Links zur Klimalounge und dem Spektrum-Verlag sind rein infor­ma­ti­ver Natur bzw. ein Quellennachweis.
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2 Kommentare

  1. Hallo Frank,

    das ist ein Buch, das recht weit oben auf mei­nem SuB liegt. Ich will es dem­nächst unbe­dingt lesen, zumal ich Neal Shusterman ger­ne lese. Ich habe die “Vollendet-Reihe” von ihm gele­sen und fand sie ziem­lich gut geschrie­ben.

    Viele Grüße
    Jay

    1. Hallo Jay,

      lesens­wert ist das Buch sicher­lich, auch wenn (schon fast dys­to­pie-typisch) so man­che Reaktion etwas zu über­trie­ben dar­ge­stellt wird. Andere Bücher habe ich bis­her (zumin­dest bewusst) noch nicht von Shusterman wahr­ge­nom­men und muss ehr­lich gesagt sagen, dass es vie­le ande­re Bücher gibt, die (aktu­ell) Vorrang haben.

      Viele Grüße
      Frank

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