[Dystopie] Q: In dieser Welt ist Perfektion alles

Man könn­te mei­nen, dass Christina Dalcher die­ses Buch vor den Eindrücken der Vorgänge des drit­ten Reichs geschrie­ben hat, dem aber nicht so ist, denn sie schaut in das eige­ne Heimatland USA, in dem in den 1970er Jugendliche und Kinder als „Schwachsinnige“ aus­ge­son­dert und kör­per­lich (bis hin zur Zwangssterilisation) miss­han­delt wur­den.

Da der Mensch ja ger­ne nicht aus sei­ner Vergangenheit lernt, spinnt die Autorin den Gedanken ein biss­chen wei­ter und ent­wirft eine Gesellschaft, in der es einen gesell­schaft­li­chen Status in Form des Q‑Werts gibt. Je nach­dem, was die Menschen machen und wie gut sie in Job und Schule sind, wer­den sie ein­ge­stuft. So weit her­ge­holt ist die­ses Szenario nicht, denn China macht es der­zeit vor, wo genau sol­che Einstufungen schon heu­te vor­ge­nom­men wer­den.

Wer durch das Raster fällt wird aus­sor­tiert. So auch in Dalchers schö­nen neu­en Welt. Um dem Roman ein biss­chen Feuer zu geben, lässt die Autorin die Hauptfigur die Ehefrau des Drahtziehers sein, mit dem sie zusam­men das System an den Start gebracht hat. Der Roman ist aus der Ich-Perspektive der Protagonistin Elena erzählt wor­den, wobei sie immer wie­der zurück­blickt und auf­zeigt, mit wel­chen Privilegien sie aus­ge­stat­tet war und wie das System so lang­sam ins Rollen kam.

Klar, wer möch­te nicht hier und da von den Vorzügen eines sol­chen Systems pro­fi­tie­ren? Die gol­de­nen Kreditkarten gibt es ja jetzt schon. Ebenso wie Fast Lines. Und so erkennt der Leser vie­le sol­cher Details, die auch heu­te schon exis­tie­ren und man kann sich schon fra­gen, ob wir wirk­lich so weit ent­fernt sind von einer Gesellschaft, in der Euthanasie eine akzep­tier­te Methode ist (also das absicht­li­che Töten von Menschen, die eine gesell­schaft­li­che Norm nicht erfül­len).

Dalcher hat in die­sem Roman den geschick­ten Schachzug gewählt, dass aus­ge­rech­net eine der ange­se­hens­ten Familien vom eige­nen System ein­ge­holt wer­den und die Muttergefühle plötz­lich über allem ande­ren ste­hen. Ganz sinn­bild­lich sind es die Geister, die sie rief, die sie nun nicht mehr los­wird und die sie um das Leben ihrer Tochter ban­gen lässt.

Fazit

Wenn man genau dar­über nach­denkt, wel­che Welt die Autorin erschaf­fen hat, so fin­de ich es recht erschre­ckend, wie vie­le Details heu­te schon mög­lich sind und zum Teil sogar ange­wen­det wer­den. Wie weit ist dann der Schritt hin zu einer „per­fek­ten Gesellschaft“ bestückt mit „per­fek­ten Menschen“? Ja, der Gedanke ist nicht neu, in einer Gesellschaft die Spreu vom Weizen zu tren­nen, aber wie ich schon ein­gangs geschrie­ben habe: Der Mensch neigt dazu, nicht aus der Vergangenheit zu ler­nen.

Eine klei­ne Anmerkung: Die Bezüge zum drit­ten Reich gibt es in dem Buch dann doch, weil die Großeltern der Familie aus Deutschland stam­men und auch noch Deutsch spre­chen. Anscheinend gibt es wohl im eng­li­schen Original ein paar deut­sche Begriffe in dem Buch. In der Übersetzung gehen die lei­der etwas unter. Ich hät­te es bes­ser gefun­den, wenn man die irgend­wie gekenn­zeich­net hät­te, denn so ste­hen die (natür­lich ins Deutsche über­setz­ten) Erklärungen für den eng­lisch­spra­chi­gen Leser etwas im Raum.

Bekannt wur­de die Autorin mit ihrem Debüt-Roman Vox, den ich eben­falls hier auf dem Blog vor­ge­stellt habe.

buchcover

Titel: Q: In die­ser Welt ist Perfektion alles
Autor: Dalcher, Christina
Genre: Dystopie
Seitenzahl: 384
Verlag: Fischer Verlag

5/5

Originaltitel: Master Class
Übersetzer: Michaela Grabinger
Herkunft: USA
Jahr: 2020 / 2021 (org./dt.)

Dieses Buch wur­de mir über die Plattform Netgalley als E‑Book zur Verfügung gestellt. NetGalley gibt kei­ner­lei Vorgaben über die Art und Weise, wie Bücher bewer­tet oder vor­ge­stellt wer­den. Mehr Infos dazu auf der Seite “Über die­sen Blog”.

Die Autorin schreibt, dass sie die­ses Buch nie geschrie­ben hät­te, wenn sie nicht zuvor den Roman “The State Boys Rebellion” von Michael D’Antonio gele­sen hät­te. Von die­sem Autor ist bis­her ledig­lich ein Buch ins Deutsche über­setzt wor­den: “Die Wahrheit über Donald Trump” (aus dem Jahre 2016).

Die Verweise zu Amazon sind mit Affiliate-Links ver­se­hen. Das heißt, dass mit einem Kauf über einen die­ser Links, ich von Amazon eine klei­ne Provision erhal­te. Auf den Preis hat das kei­ne Auswirkung.

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5 Kommentare

  1. Hi Frank!

    Das hört sich defi­ni­tiv inter­es­sant an! Solche Szenarien fin­de ich ja total fas­zi­nie­rend – und erschre­ckend, gra­de weil sie so oft schon Parallelen zu unse­rer Gegenwart haben.
    Ich moch­te “Vox” von der Autorin ja auch schon ger­ne, auch wenn vie­le da das Ende nicht moch­ten – erin­nern kann ich mich dar­an nicht mehr gut aber ich weiß noch, dass mir das nicht so nega­tiv auf­ge­fal­len war ^^

    Danke für den guten Tipp!!

    Liebste Grüße und einen schö­nen Feiertag!
    Aleshanee

  2. Hallo Frank,

    ich schlie­ße mich Aleshanee an und habe das Buch gleich ein­mal auf die Wunschliste gepackt. Ich mag sol­che Gedankenspiele total gern, wobei es hier wohl gar nicht mehr weit von der Realität ent­fernt zu sein scheint.

    Liebe Grüße,
    Nicole

    1. Hi Nicole,
      ja, das stimmt. Vieles, was in dem Buch geschil­dert wird, ist heu­te schon mög­lich. Glücklicherweise in Deutschland noch nicht so aus­ge­prägt wie z.B. in China, aber diver­se Unternehmen ver­su­chen ja immer wie­der ihr “Glück”.
      Viele Grüße
      Frank

  3. Interessant, wie Meinungen aus­ein­an­der­ge­hen kön­nen. 🙂 Ich habe das Buch auch kürz­lich gele­sen und rezen­siert und muss geste­hen, dass es eines der schlech­tes­ten Bücher ist, die ich seit Langem gele­sen habe. Nicht nur, dass es unüber­legt kon­stru­iert wur­de und somit auf töner­nen Füßen steht, es ergibt tat­säch­lich so oft kei­nen Sinn, dass es auf­fäl­lig ist. Die Prota ist unsym­pa­thisch und die Logiklöcher wur­den zwar ver­sucht zu stop­fen, es gelang nur lei­der nicht immer. Gäbe es die Erklärung am Ende des Buches nicht, man wür­de es nicht ver­ste­hen.
    Das Thema aller­dings ist wich­tig, eben weil das Bewertungssystem in Teilen der Welt sehr weit gedie­gen ist und ers­te deut­sche Politiker ihre Zustimmung signa­li­sie­ren.
    Übrigens muss man nicht nur in die USA einer bestimm­ten Zeitperiode schau­en, in den süd­ame­ri­kan. Ländern hat man das gegen den Willen der Frauen auch an der indi­ge­nen Bevölkerung durch­ge­führt. Und wer weiß, was in Afrika und Indien so los war …
    Umso wüten­der macht mich auch eine so schlecht aus­ge­ar­bei­te­te Geschichte.

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