Wenn ich den Titel des Buchs „The City We Became“ eins zu eins übersetze, so lautet dieser in etwa „Die Stadt, die wir geworden sind“, was den Inhalt des Buchs deutlich eher trifft als der deutsche Titel „Die Wächterinnen von New York“. Denn in diesem Urban-Fantasy-Buch werden große Städte lebendig und von einem menschlichen (oder menschenähnlichen) Avatar vertreten.
Mehr an Hintergrund liefert die Autorin N. K. Jemisin nicht, bis auf den Umstand, dass im Falle New Yorks bei der Geburt der Stadt nicht ein Avatar erscheint, sondern gleich fünf: für jeden Stadtteil einen. Der Leser begleitet nicht nur den Prozess, wie die Stadt ihr Leben beginnt, sondern auch, wie die Avatare auf der Bildfläche erscheinen. Meist in Form von Menschen, die an Amnesie leiden und erst nach und nach merken, was bzw. wer sie sind und wozu sie fähig sind. Für gewöhnlich dann, wenn der namenslose Gegner bzw. Feind auftaucht, gegen den sie antreten.
Es liegt auf der Hand, dass eine solche Handlung geradezu danach schreit, aktuelle Themen aufzunehmen. Gerade New York war lange Einfallstor der Emigranten und steht auch heute noch für einen Staat, in dem Fremde (mehr oder weniger) willkommen sind. Zumindest in den Augen der Autorin, die den Zusammenhalt der Familie (bzw. der Nation) regelrecht propagiert. Damit spielt sie nicht nur auf die Ereignisse nach Bidens Wahl an, sondern auch an die Konflikte während der Corona-Pandemie.
Sprachlich ist das Buch gewöhnungsbedürftig. Oftmals spiegelt es die Szene einer Stadt wieder und ist entsprechend derb. Das täuscht aber (leider) nicht darüber hinweg, dass es zwischen einem rasanten Start und Ende eine lange Durststrecke gibt, die den Leser ein wenig fordert, da die Handlung nur kaum vorangetrieben wird und der ominöse Feind nach und nach gemächlich allen Avataren einen Besuch abstattet.
Die Handlung spiegelt das bunte Leben New Yorks wider, wobei es sehr hilfreich ist, wenn einem die Stadt bekannt ist. Auch wird recht häufig auf die Lovecraftsche Welt angespielt, was in meinen Augen dem Buch auch nicht unbedingt guttut (was daran liegt, dass ich selbst mit den Originaltexten nicht warm werden konnte).
Fazit
Dieser Roman ist eine Hommage an ein New York, wie es vor der Pandemie existiert hat. Gleichzeitig werden aktuelle Themen aufgriffen, die in den USA eine Rolle spielen (und deshalb nur bedingt auf den Rest der Welt übertragbar sind). Die Idee der lebendigen Städte fand ich schon gut, aber mir fehlten inhaltlich ein paar mehr Details, damit dieser Roman ein stimmiges Gesamtbild liefert. Auch sprachlich fand ich den Roman etwas grenzwertig, wobei gerade der Mittelteil mir das Lesevergnügen vereitelt hat. Wer gern ungewöhnliche Urban-Fantasy-Romane liest, die einen Bezug zu aktuellen Ereignissen haben, darf gerne zugreifen.
Titel: Die Wächterinnen von New York
Autor: Jemisin, N. K.
Genre: Fantasy / Urban-Fantsy
Seitenzahl: 544
Verlag: KiWi Verlag
Originaltitel: The City We Became
Übersetzer: Benjamin Mildner
Herkunft: USA
Jahr: 2020 / 2022 (org./dt.)
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