[Genrelos] Vergessene Gesten

vergessene gesten

Titel: Vergessene Gesten: 130 Volten gegen den Zeitgeist
Autor: Pschera, Alexander
Genre: Dieses Buch lässt sich kei­nem Genre zuord­nen
Seitenzahl: 190
Verlag: DVB Verlag
Wertung: ★☆☆☆☆

Wer den Titel “Vergessene Gesten” liest, der direkt über einem Herrn plat­ziert ist, der sei­nen Hut zieht, der glaubt viel­leicht, dass es in die­sem Buch tat­säch­lich dar­um geht, vom Vergessen bedroh­te Gesten dem Leser zu prä­sen­tie­ren und even­tu­ell ein biss­chen über des­sen Entstehung zu erzäh­len. Leider weit gefehlt.

Definition

Wer in den Duden schaut, wird für das Wort “Geste” zwei Bedeutungen fin­den. Zum einen eine “spon­ta­ne oder bewusst ein­ge­setz­te Bewegung des Körpers, beson­ders der Hände und des Kopfes, die jeman­des Worte beglei­tet oder ersetzt” und zum ande­ren eine “Handlung oder Mitteilung, die etwas indi­rekt aus­drü­cken soll” [1].

Insofern passt es schon, dass sich in die­sem Buch bei­der­lei Arten von Gesten wie­der­fin­den, auch wenn vie­le Handlungen ich nicht als Geste emp­fin­de, so wie z.B. ein Hobby haben, in die Natur gehen oder das Schwimmen erler­nen. Nun könn­te man ja sagen, dass es durch­aus okay ist, wenn der Autor nicht nur auf ver­ges­se­ne Gesten schaut (wie das Ziehen des Huts), son­dern auch auf ver­ges­se­ne Gewohnheiten.

Die Zusammenstellung der ver­ges­se­nen Gesten (ich blei­be mal bei dem Sammelbegriff) ist schon recht frag­wür­dig. Aber die Präsentation ist recht ein­fach, undif­fe­ren­tiert und zum Teil schlicht­weg falsch. Oftmals hat­te ich als Leser den Eindruck, als wür­de hier ein “Früher-war-alles-besser”-Mensch der Vergangenheit nach­trau­ern, die ver­meint­lich so viel bes­ser gewe­sen sein soll.

Irrtümer

Wie falsch die­se Einstellung und auch die Behauptungen in dem Buch sind, ver­deut­li­che ich exem­pla­risch, am Beispiel des “Den Freischwimmer absol­vie­ren”.

Hier wirft der Autor den heu­ti­gen Kindern vor, dass sich nicht mehr schwim­men ler­nen, son­dern nur noch in Freizeitparks zu pas­si­ven Fett- und Zucker-Konsumenten ver­kom­men. Als Beweis sagt er, dass es 2017 mehr als 400 Todesfälle durch ertrin­ken gab, weil ja nie­mand mehr schwim­men lernt.

Nun, das mag viel klin­gen. Und ja, da hat der Autor Recht. 2017 star­ben tat­säch­lich 404 Menschen durch Ertrinken. Allerdings irrt er sich, dass die Zahl in der Neuzeit gestie­gen ist. Genau das Gegenteil ist der Fall. 1926 gab es 3552 Todesfälle durch Ertrinken, 1951 waren es noch 2105 bis die Zahl immer wei­ter sinkt und sich nun in den letz­ten Jahren irgend­wo zwi­schen 400 und 500 ein­ge­pen­delt hat.

Die Aussage, dass heut­zu­ta­ge die Kinder kei­nen Freischwimmer mehr machen und sich auch kei­ne Abzeichen mehr erschwim­men ist schlicht­weg falsch. Ich weiß ja nicht, in wel­chem Teil von Deutschland der Autor lebt und woher er sei­ne Erkenntnis nimmt, aber die­se Aussage ist schlicht­weg falsch, denn heut­zu­ta­ge machen die Kinder noch immer ihr Seepferdchen und erschwim­men sich Bronze, Silber und Gold. Letzteres natür­lich, wenn sie möch­ten, das Seepferdchen ist aber schon obli­ga­to­risch.

Und so zie­hen sich die Irrtümer durch das gan­ze Buch, in dem der Autor das Waldsterben eben­so ver­neint wie den Klimawandel (also gene­rell, nicht nur den antro­po­ge­nen), behaup­tet, dass kei­ne Kaffee mehr gemah­len wird und Daten nicht mehr glöscht wer­den, weil der Computer ein Mal zu viel fragt, ob die Daten denn wirk­lich gelöscht wer­den sol­len.

Fazit

Leider wird in kaum einem ange­führ­ten Beispiel erklärt, wo eine Geste, eine Handlung oder Gewohnheit ihren Ursprung hat­te und wie es zum Vergessen kam. Es fin­det sich über­haupt kein Tiefgang und kei­ne Wissensvermittlung in dem Buch, son­dern ein­fach nur eine Ansammlung von oft­mals halt­lo­sen Behauptungen, die jeg­li­cher Grundlage ent­beh­ren. Ich schrei­be sowas ja sel­ten, aber die­ses Buch ist das Papier nicht wert, auf dem es gedruckt ist.
Zugleich wird deut­lich, wie schnell eine Falschaussage getä­tigt wer­den kann und wie viel Aufwand es bedarf, um die­se zu ent­kräf­ten.

[1] Zitat aus dem Onlineangebot des Duden, abge­ru­fen im Juni 2019
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