Junktown ★★★☆☆

Irgendwo auf die­sem Planeten in irgend­ei­nem Staat. Nach der Konsumrevolution ist es die Pflicht eines jeden Bürgers zu kon­su­mie­ren. Und zwar nicht irgend­was, son­dern Drogen jeg­li­cher Art. Das klingt nicht nur nach einem Mekka für Liebhaber von Drogenexzessen, son­dern auch nach einem sozi­al­kri­ti­schem Roman.

Leider ver­schenkt Oden das Potential die­ser außer­ge­wöhn­li­chen Geschichte in einem noch unge­wöhn­li­che­rem Setting. Blendet der Leser die­ses aus, ver­bleibt ein mehr oder min­der gewöhn­li­cher Kriminalfall.

Szenario

Ich mag Geschichten, in die der Leser direkt her­ein­ge­wor­fen wird. Auch wenn er mit Begrifflichkeiten kon­fron­tiert wird, mit denen er zunächst nichts anzu­fan­gen weiß. Allerdings mit einer Einschränkung. Im Laufe der Geschichte soll­te schon erklärt wer­den, was es damit auf sich hat.

Dies fehlt in die­sem Buch zu gro­ßen Teilen. Vieles bleibt uner­zählt und der Phantasie des Lesers über­las­sen. Wie mag wohl ein neben einem Beischlafkabinenhotel des Vergnügungsviertels lie­gen­des Spermabad aus­se­hen oder wel­che Funktion mag es haben?

Auf der ande­ren Seite fül­len plötz­lich Informationen zu Drogen oder Regalinhalten Seiten, ohne dass sie zu mehr Klarheit oder Authentizität bei­tra­gen kön­nen. Hier hät­te ich mir mehr gewünscht als ein krea­ti­ver Umgang mit der Sprache, der so Begriffe wie “Bedarfspolizeiergänzungsdienst” her­vor­bringt.

Nur kurz und rudi­men­tär wird im Laufe der Geschichte der Konsumrevolution erläu­tert, aber die Beschreibungen der Wohniglus und ande­rer Details las­sen den Leser allein, wobei sich auf­grund der Fremdartigkeit des Szenarios kein stim­mi­ges Bild in mei­nem Kopf bil­den woll­te. Warum wird z.B. Müll plötz­lich zum Konsumgut und war­um ist es umso bes­ser, umso ver­müll­ter die Gegend ist, in der man wohnt?

Witz

Vieles in der Geschichte wirkt über­zo­gen und glei­tet ab in das sati­risch Witzige. An ande­ren Stellen, wird der Leser direkt mit einem unver­hoh­le­nem Witz kon­fron­tiert. Wie zum Beispiel in der Szene, in der ein Toter mit Schlinge um den Hals gefun­den wird. Ein kur­zer Auszug aus der Unterhaltung zwi­schen dem Protagonisten Cain von der Gemapo (ein gewoll­tes Kunstwort) und dem Schutzmann Brask:

“Hatte der Tote irgend­et­was bei sich?”
“Da wäre die Schlinge.”
Cain schloss die Augen.

Charakter

Erzählt wird die Geschichte aus Sicht von Solomon Cain. Einem Ermittler der Geheimpolizei. Lässt man alle unge­wöhn­li­chen Beschreibungen weg, so über­nimmt er einen Mordfall in einem kor­rup­ten Staat und begibt sich auf Spurensuche. Dabei nimmt er die klas­si­sche Rolle des ver­schro­be­nen und geschei­ter­ten Polizisten ein, die es so häu­fig in Kriminalfällen zu fin­den gibt.

Das Setting drif­tet hier zwar wie­der ins über­zo­gen komi­sche ab, wenn von einem Mord an einer Brutmutter die Rede ist, aber auch hier kommt wie­der zum Tragen, das Oden so wenig die Umgebung erklärt. Denn die Brutmutter ist eine rie­si­ge Brutmaschinerie, in der 800 Föten aus­ge­brü­tet wer­den kön­nen und deren Größe so gigan­tisch ist, dass die Ermittler in ihr umher­wan­deln kön­nen.

Erzählt wird von ihr aber wie von einem Menschen, der nicht nur geliebt und geach­tet wur­de, son­dern gleich­zei­tig auch über ein Bewusstsein ver­füg­te. Irgendwie woll­te sich da kein stim­mi­ges Bild in mir bil­den.

So ergibt zwar das Bild des Solomon Cain einen (wenn auch gewöhn­li­chen) Charakter, mit dem der Leser etwas anfan­gen kann, aber die meis­ten Nebenfiguren blei­ben wie das Gesamtsetting blass.

Fazit

Junktown ist spielt sicher­lich in einem unge­wöhn­li­chen Setting, aus dem man so viel hät­te machen kön­nen. Aber vie­les bleibt aus. Nicht nur die Beschreibung die­ser Welt ist unaus­ge­reift, auch die Gesellschaftskritik ist ledig­lich in Ansätzen vor­han­den. So, wie das Buch vor allem zum Ende hin geschrie­ben ist, woll­te Oden hier ver­mut­lich viel mehr mit aus­sa­gen. Aber er ver­liert sich in Nebensächlichkeiten.

Schlussendlich ver­bleibt hier ein Kriminalfall vor einem unge­wöhn­li­chen Setting, der nicht außer­ge­wöhn­lich ist – weder im Guten, noch im Schlechten.

 

Titel: Junktown
Autor: Oden, Matthias
Genre: Science-Fiction/Dystopie
Verlag: Heyne
Bewertung: ✦✦✦✧✧

Dieses Buch wur­de mir vom Verlag freund­li­cher­wei­se als E‑Book zur Verfügung gestellt. Selbstverständlich hat die­ser Umstand kei­ner­lei Auswirkung auf die Bewertung die­ses Titels.

Zur Verlagsseite von Junktown.

 

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