Ich kann mich noch sehr gut an ein Gespräch erinnern, das ich mit einer Person zu einer Zeit geführt habe, als Google noch relativ neu war. Ich habe erklärt, dass das Internet durch die Sex-Seiten großgeworden ist und dass man mit einfachen Begriffen Google dazu bringt, anzügliche Seiten anzuzeigen. Damals ging es um Sex mit Tieren und die betreffende Person ist aus allen Wolken gefallen, was die Bildersuche ausgespuckt hat. Und ja, das funktioniert auch heute noch. Eine Erfahrung, die die Autorin teilt:
»Folter, Gewalt, Ekel, Anleitungen zum Suizid – all das lässt sich ganz leicht finden. Innerhalb weniger Sekunden mit nur einigen Suchbegriffen bei Google oder durch das Anklicken von eingestellten Links gelangt man auf die entsprechenden Seiten in sozialen Netzwerken.« (Bei 45% des eBooks)
Und seither wird immer wieder vor den sozialen Medien und vor der unbedarften Nutzung des Internets gewarnt. Warum hat ein weiteres Buch zu diesem Thema seine Daseinsberechtigung? Weil sich nichts geändert hat. Silke Müller bringt es in ihrem Vorwort auf den Punkt:
»Es geht in diesem Buch weder um das Schüren von Ängsten noch um Kritik an Digitalisierungsprozessen.« (bei 2% des eBooks)
Natürlich sind es immer wieder die Erwachsenen, die über die Kinder meckern.
»Wir beschweren uns über die »verwöhnte Jugend«, die nur noch faulenzt, neudeutsch chillt, auf dem Handy »daddelt« und scheinbar an nichts mehr interessiert ist.« (bei 4% des eBooks)
Um unsere Kinder zu schützen, erlassen wir Eltern Bildschirmzeiten und installieren diverse Filter und glauben uns so in »Sicherheit«. Die Autorin möchte uns Eltern mit ihrem Buch aufrütteln und zeigen, dass dies mitnichten hilft, denn die Filter versagen mehr als einmal.
Die Autorin greift (vermutlich unbewusst) auch Kritikpunkte am Bildungssystem auf:
»Unser Schulsystem hat seit etwa zweihundert Jahren in seiner jetzigen Form Bestand.« (bei 6% des eBooks)
Und tatsächlich war ich mehr als erschrocken, als meine Kinder aus der heutigen Schulzeit von Dingen berichten, die mir aus meiner Schulzeit schon begegneten. Es lebe der Videowagen mit dem Röhrenfernseher und VHS-Recorder. Das Internet und die dort vorhandenen Anwendungen entwickeln sich weiter. Es entsteht eine Diskrepanz und jeder zeigt mit dem Finger auf den anderen.
Silke Müller nutzt den Großteil des Buchs dafür, um zu beschreiben, was sie in ihrem schulischen Alltag alles erlebt hat. Erfahrungen, die sich nicht auf die Schule konzentrieren, in der sie unterrichtet bzw. Direktorin ist, sondern das dürfte leider trauriger Schulalltag sein. Ich glaube, dass es tatsächlich sehr viele Eltern gibt, die diesen Umstand verdrängen und verneinen oder darauf vertrauen, dass in der Schule ausreichend Medienkompetenz vermittelt wird.
Dabei zeigen Schüler von iPad-Klassen sehr gut, wie einfach installierte Filter umgangen werden können und sich Eltern wie Lehrer in fragwürdiger Sicherheit wähnen. Als Elternteil muss man immer im Hinterkopf haben, dass Kinder und Jugendliche Grenzen ausloten und diese bewusst überschreiten. Sie machen Dinge ohne Sinn und Verstand, einfach nur, weil andere es ihnen vormachen. All dies beschreibt die Autorin in ihrem Buch, um Eltern (und Lehrer) zu erreichen, damit diese aufmerksamer das beobachten, was die Kinder an Tablet und Smartphone treiben.
Die Autorin meckert aber nicht nur, sondern gibt am Ende handfeste Tipps, wie Kinder vor den Gefahren des Internets geschützt werden können.
Fazit
Wie sehr wünsche ich mir, dass die Eltern dieses Buch lesen, die ihren Kindern unbeschränkten Zugriff auf die Netflix-Bibliothek gewähren, inkl. aller Filme und Serien mit einer FSK 18 Einstufung. Oder jene Eltern, die Fotos und Videos ihrer kleinen Kinder online stellen. Silke Müller hat ein sehr wichtiges Buch geschrieben, dass aufrütteln muss, damit unsere Kinder verantwortungsvoll mit dem Internet umgehen und entsprechend von uns Eltern angeleitet werden.
Titel: Wir verlieren unsere Kinder!: Gewalt, Missbrauch, Rassismus – Der verstörende Alltag im Klassen-Chat
Autor: Müller, Silke
Genre: Ratgeber
Seitenzahl: 224
Verlag: Drömer Verlag
Herkunft: Deutschland
Jahr: 2023
Dieses Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt. Weitere Hinweise zu Rezensionsexemplaren finden sich im Bereich “Über diesen Blog“.
Der Büchernarr schreibt hauptsächlich über Bücher aus den Genres Fantasy und Horror. Manchmal schleichen sich Bücher anderer Genres in diesen Buchblog ein, so dass hier auch Biografien, historische Romane oder Kinderbücher zu finden sind.