[ReRead] Der Herr der Ringe

Der Herr der Ringe

Es ist erstaun­lich, wie ich Bücher in Erinnerung hal­te. Eigentlich soll­te das Anlass dafür sein, dass ich mir öfter ein Buch schnap­pen soll­te, um es ein zwei­tes oder drit­tes oder gar vier­tes Mal zu lesen. Natürlich gibt nicht jedes Buch ein solch mehr­fa­ches Lesen her, aber eines auf jeden Fall: “Der Herr der Ringe” von J.R.R. Tolkien.

Spoilergefahr! In die­sem ReRead schil­de­re ich mei­ne Leseerfahrung, die ich gesam­melt habe, als ich die­ses Buch zusam­men mit mei­nem 10-jäh­ri­gen Sohn gele­sen habe. Darin zei­ge ich eben­so Szenen aus dem Buch wie auch aus der Verfilmung von Peter Jackson.

Ich habe “Der Herr der Ringe” zum ers­ten Mal in mei­ner Jugend gele­sen. Anschließend – kurz vor der Verfilmung von Peter Jackson – ein zwei­tes Mal. Irgendwann, wäh­rend die Filme in den Kinos gezeigt wur­den, habe ich sowohl das Hörspiel als spä­ter auch das unge­kürz­te Hörbuch gehört. Nachdem ich mit mei­nem ältes­ten Sohn “Der klei­ne Hobbit” gele­sen habe, woll­te er natür­lich mit “Der Herr der Ringe” wei­ter­ma­chen, so dass ich die­ses Buch nun zum vier­ten Mal gele­sen habe (das Hörspiel zählt nicht, da es ähn­lich wie die Verfilmung die Handlung ange­passt hat).

Unterschiedliche Leseerfahrung

Als ich das Buch zum ers­ten Mal gele­sen habe, sind mir die epi­schen Schlachten im Gedächtnis geblie­ben und mir fiel der Einstieg in das Buch recht schwer. Bei zwei­ten Durchlesen und dem drit­ten Durchhören, wäh­rend die Verfilmungen in den Kinos lie­fen, stand eher im Fokus, wie getreu das Werk umge­setzt wur­de und wel­che Unterschiede sich in der Handlung auf­ge­tan haben. Nun, nach dem vier­ten Lesen, sind mir die wun­der­ba­ren Formulierungen, das Spiel mit der Sprache sowie die lan­gen und teil­wei­se aus­ufern­den Beschreibungen im Gedächtnis geblie­ben.

Natürlich spielt bei der Leseerfahrung das Alter eine Rolle. War ich beim ers­ten Mal 16 Jahre jung sind nun nicht ganz 30 Jahre ins Land gezo­gen, in denen ich natür­lich mitt­ler­wei­le vie­le ande­re Bücher gele­sen habe. Ein Jugendlicher lebt in einer voll­kom­men ande­ren Welt und setzt solch ein Buch in einen ganz ande­ren Kontext als ein Mittvierziger. Etwas, was mir auch schon beim ReRead von Stephen Kings “Das letz­te Gefecht” auf­ge­fal­len ist.

Zudem fal­len die Unterschiede zwi­schen den Filmen und dem Buch noch viel stär­ker auf, was ver­mut­lich dar­an liegt, dass ich mitt­ler­wei­le auch die Filme öfters gese­hen habe. Es gibt vie­le Details, die mir nun ganz mar­kant auf­ge­fal­len sind. Wie z.B. die Szene, in der Merry und Pippin in der Weide, nein, von der Weide fest­ge­hal­ten wer­den. Im Buch spielt sich das kurz vor dem Treffen mit Tom Bombadil ab. Im Film wur­de die­se Szene kur­zer­hand zu den Ents ver­frach­tet.

Auch die Rolle von Radagast, der bei den Verfilmungen in “Der Hobbit” sei­nen Auftritt hat­te, wur­de von mir falsch abge­spei­chert. Dass er im Herr der Ringe sei­nen Auftritt hat­te, hat­te ich voll­kom­men ver­drängt. Ebenso voll­kom­men in Vergessenheit gera­ten war Bregalad oder auch Flinkbaum genannt, der sich um Merry und Pipin wäh­rend des Entthings geküm­mert hat. Auch die Entscheidungsfindung der Ents war im Buch ver­gleichs­wei­se anders, denn sie haben von sich aus die Gefahr erkannt und grif­fen ein und muss­ten nicht erst von den bei­den Hobbits nach Isengart geführt wer­den, wie es im Film umge­setzt wur­de.

Es sind so vie­le Details, die mir bei die­sem ReRead auf­ge­fal­len sind, wor­in sich bei­de Werke unter­schei­den. Eben nicht nur jene gro­ßen Veränderungen in der Handlung, von denen auch auf den vie­len Seiten im Netz zu lesen ist, son­dern auch die vie­len klei­nen Detailänderungen, die im Film ent­fal­len sind. Übrigens fin­de ich die Verfilmungen trotz aller Modifikationen sehr gran­di­os umge­setzt. Immerhin galt das Buch über einen sehr lan­gen Zeitraum als unver­film­bar.

Die Längen

Ja, beim ers­ten Lesen sind mir die vie­len Längen im Buch auf­ge­fal­len und wie ein­gangs erwähnt habe ich mich vor allem im ers­ten Teil des Buchs schwer getan. Und auch heu­te lese ich von jun­gen Lesern, dass es ihnen ähn­lich schwer­ge­fal­len ist, in die Geschichte zu kom­men. Jetzt beim vier­ten Mal emp­fand ich es voll­kom­men anders. Jetzt sind es kei­ne Längen, son­dern nun fällt mir das Spiel mit der Sprache ins Auge und der Detailreichtum, wie Tolkien die Reisen beschreibt. Mit wel­cher Wortgewandtheit er die Sprache ein­setzt kommt sicher­lich erst nach mehr­ma­li­gem Lesen so rich­tig zur Geltung.

herr der ringe 1

Zitate

Und dann sind da natür­lich die Zitate, die dau­er­haft hän­gen geblie­ben sind. Erstaunlich, dass man­che Zitate nur in den Filmen vor­kom­men, von denen ich dach­te, dass sie auch im Buch stan­den. Auch das hat­te ich irgend­wie falsch abge­spei­chert.

Ich habe das Buch in unter­schied­li­chen Versionen gele­sen. Das ers­te Mal in der Fassung von 1979 – das ist die Version, die in drei unter­schied­li­chen Einzelbüchern ver­öf­fent­licht wur­de. Den ReRead habe ich mit der Sonderausgabe von 1991 in der über­ar­bei­te­ten fünf­ten Auflage von 1995 gele­sen. Alle Zitate bezie­hen sich auf die­se Ausgabe.

Viele, die leben, ver­die­nen den Tod. Und man­che, die ster­ben, ver­die­nen das Leben. Kannst du es ihnen geben? Dann sei auch nicht so rasch mit einem Todesurteil bei der Hand.”

S. 74 der Sonderausgabe von 1991

In den Büchern sagt dies Gandalf zu Frodo, als Frodo sich vor sei­ner Reise den Tod Gollums wünsch­te. In der Verfilmung sagt dies Gandalf zu Frodo in den Mienen Morias.

Dort fällt auch die­ser Satz:

“Es gibt in den Tiefen der Welt noch älte­re und gemei­ne­re Geschöpfe als Orks.”

S. 318 der Sonderausgabe von 1991

Es ist erstaun­lich, wie die Szene von Moria mit­samt des­sen Torwächter und dem Balrog dem Film einen mar­kan­ten Stempel auf­ge­setzt hat. Hier hält sich der Film näm­lich kaum an die Vorlage, denn der Torwächter fin­det im Buch kaum einen Raum. Ebenso hat der Balrog einen ver­gleichs­wei­se kur­zen Auftritt. Klar, ich habe seit­her das Silmarillon gele­sen, in der die gesam­te Geschichte Mittelerdes erzählt wird. Mag sein, dass die dor­ti­gen Schlachten mit vie­len Balrogs mei­nen Blick zusätz­lich ver­zerrt haben.

Und ich wer­de nicht dun­kel sein, son­dern schön und ent­setz­lich wie der Morgen und die Nacht! Schön wie das Meer und die Sonne und der Schnee auf dem Gebirge! Grausam wie der Sturm und der Blitz! Stärker als die Grundfesten der Erde. Alle wer­den mich lie­ben und ver­zwei­feln!

S. 373 der Sonderausgabe von 1991

Galadriels Probe ist im Film mei­nes Erachtens ein­fach nur gran­di­os und emo­tio­nal umge­setzt (sprich­wört­lich ein ganz gro­ßes Kino) und kommt der Buchvorlage sehr nahe. Diese Szene zeigt sehr ein­dring­lich, dass das Gute nicht immer gut sein muss, dass ein Überfluss an Liebe eben­so erdrü­ckend sein kann wie das Böse. Ich muss zuge­ben, dass ich beim ReRead auto­ma­tisch die hell leuch­ten­de Galadriel aus dem Film vor Augen habe, aber das lässt sich wohl kaum ver­hin­dern.

Allerdings glau­be ich, dass mein 10-jäh­ri­ger Sohn die­se Botschaft beim ers­ten Lesen nicht erfasst hat. Die Rolle Galadriels kommt eben­falls erst bei einem ReRead so rich­tig zur Geltung. Ich habe mit ihm über die­se Szene und sei­ne Wichtigkeit danach gespro­chen – etwas, das durch­aus zu emp­feh­len ist, wenn man “Der Herr der Ringe” zusam­men mit sei­nem Kind liest.

“[…] dass die­se schlim­men Tage mei­ne sein müs­sen und in mei­nem Alter kom­men statt des Friedens, den ich ver­dient habe. Wehe um Boromir. Die Jungen gehen dahin, und die Alten blei­ben, ver­dor­rend.”

S. 523, 524 der Sonderausgabe von 1991

Dies sagt Théoden zu Gandalf, nach­dem er von Schlangenzunges Einfluss erlöst wur­de. Im Film wur­den die Szenen deut­lich abge­än­dert und dort sagt Théoden dies am Grab von Théodred zu Gandalf:

“Ach, dass die­se fins­te­ren Tage mei­ne sein müs­sen. Die Jungen ster­ben und die Alten ver­wei­len. Dass ich noch lebe und die letz­ten Tage mei­nes Hauses sehe.”

Übrigens eben­so wie die Szene, wie Schlangenzunge ver­bannt wur­de, obgleich ich fin­de, dass die gezeig­te Version des Film durch­aus auch sei­nen Charme hat und sicher­lich dra­ma­ti­scher ist.

Zum Schluss ein Zitat, das es mir von Anfang an ange­tan hat:

Kein Vater soll­te sein Kind zu Grabe tra­gen

Wieviel Wahrheit doch in die­sem klei­nen Satz steckt, der sich so nicht im Buch wie­der­fin­det.

Soll ich auch?

Wer sich nun fragt, ob er nicht auch noch­mals “Der Herr der Ringe” lesen soll­te, dem sei es unbe­dingt ans Herz gelegt. Vor allem nach dem zeit­li­chen Abstand zu den Verfilmungen macht es nicht nur sehr viel Spaß wie­der durch Mittelerde zu rei­sen, son­dern das Leseerlebnis ist viel inten­si­ver. Und wer weiß, viel­leicht fällt dann auch auf, wie anders sich sol­che Bücher lesen, wenn ein paar Jahre ins Land gezo­gen sind.

Übrigens merkt man mei­nes Erachtens dem Buch sein Alter nicht an, so dass ich auch heu­te noch sagen kann, dass die­ses Buch ein jeder High-Fantasy-Freund gele­sen haben soll­te.

Tipp: Wer das Buch noch nicht hat und nicht so viel Geld aus­ge­ben möch­te, der kauft sich am bes­ten die klas­si­sche Taschenbuchausgabe in der mar­kan­ten Grünfärbung. Wer gern illus­trier­te Bücher liest, der greift zu einer der Schmuckausgaben, die dann natür­lich deut­lich teu­rer sind.

Andere Ausgaben, wie z.B. die Sonderausgabe als rotes Buch, sind mitt­ler­wei­le ver­grif­fen und nur noch auf dem Gebrauchtmarkt zu haben.

2 Kommentare

  1. Hallo Frank!

    Eine ganz tol­le Rezension und ein schö­ner Einblick in dei­ne “Leseerfahrung” mit die­sem gran­dio­sen Werk!

    Ein Zitat, das mir fest ein­ge­brannt ist und das ich sehr mag ist auch
    “Viele, die leben, ver­die­nen den Tod. Und man­che, die ster­ben, ver­die­nen das Leben. Kannst du es ihnen geben? Dann sei auch nicht so rasch mit einem Todesurteil bei der Hand.”

    Liebe Grüße und einen schö­nen Feiertag!
    Aleshanee

    1. Hallo Aleshanee,

      vie­len lie­ben Dank. Ja, die­ses Zitat hat­te sich bei mir auch recht schnell ein­ge­brannt und ich bin ganz froh, dass die Drehbuchautoren die­se Zitate eben­so wich­tig emp­fan­den und die­se in die Filme ein­ge­floch­ten haben.

      Dir auch einen schö­nen Feiertag und vie­le Grüße
      Frank

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