[Rezension] Das Internet muss weg

internet weg

Titel: Das Internet muss weg: Eine Abrechnung
Autor: Silberstein, Schlecky
Genre: Politik
Verlag: Knaus Verlag
Wertung: ★★★☆☆
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Nein, Schlecky Silberstein fordert nicht die Abschaffung des Internets, auch wenn die Aussage “Das Internet muss weg” dies suggeriert. Er reduziert nämlich das Internet auf das Social-Media-Internet und im Grunde genommen nochmals auf die Branchenriesen Facebook und Google.

Reduktion

Auf den Punkt bringt der Autor diese Reduktion auf Seite 18 seines Buchs: “Wenn ich sage »Das Internet muss weg«, meine ich, wie erwähnt, eigentlich das Social-Media-Internet, das jedoch einen so großen Teil des Gesamt-Internets ausmacht, dass der Titel dieses Buch schon klargeht.”

Das statistische Bundesamt sieht es anders: “Der Anteil der Personen in Deutschland, die das Internet zur Teilnahme an sozialen Netzwerken genutzt haben, lag im Jahr 2017 bei 51 Prozent.” Und gefühlt, wenn ich in mein Umfeld und in die sozialen Netzwerke schaue, so kann ich die Einschätzung des Bundesamts eher nachvollziehen als die Einschätzung von Silberstein.

Die Reduktion des Internets auf die sozialen Netzwerke kommt bei dem Untertitel zum Tragen, den dieses Buch trägt. Eine Abrechnung. Somit wird klar, was der eigentliche Gegenstand dieses Buchs ist: Schlecky Silberstein rechnet mit den sozialen Netzwerken ab.

Fallbeispiele

Um zu zeigen, wie die Firmen Geld verdienen, die hinter den sozialen Netzwerken stehen, bedient sich Silberstein einiger Fallbeispiele, die meines Erachtens hinlänglich bekannt sind. Insiderwissen wird hier nicht vermittelt. Ganz im Gegenteil werden Mechanismen erklärt, die in dieser Form so gar nicht mehr funktionieren. Das Internet ist eben ein sehr schnelllebiges Medium (was dem Autor durchaus bewusst ist und er weist explizit daraufhin, dass Buch vermutlich schon bei Drucklegung (teilweise) veraltet ist).

Wer mit dem Medium nicht so vertraut ist (man erinnere sich an Ausspruch “Das Internet ist für uns alle Neuland”, den unsere Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel im Jahre 2013 auf einer Pressekonferenz gebracht hat), wird sich in so manchen Begrifflichkeiten verlieren, denn Basiswissen vermittelt das Buch nicht.

Die Fakten, die der Autor in dem Buch zusammenträgt, haben durchaus Hand und Fuß und sind auch gut recherchiert und dokumentiert. Allerdings zeigt er nur die eine Seite der Medaille. Nämlich die Fälle, in denen die Algorithmen der sozialen Netzwerke funktioniert haben. Dabei beleuchtet er nicht nur die Einflüsse des persönlichen Datenflusses, sondern auch die Hintergründe des Online-Journalismus.

* Erklärungen *

Auf Seite 21 seines Buchs schreibt Silberstein, dass der Verlag ihn dazu verdonnert hat, auch an die Leser zu denken, die das Netz nicht wie ihre Westentasche kennen. Er hat nicht auf den Verlag gehört. Und so finden sich zwar breite Ausführungen, wie in den sozialen Netzwerken das große Geld verdient wird, Basiswissen wird allerdings nicht vermittelt. Somit ist ihm die Gratwanderung meiner Meinung nach nicht gelungen, ein Buch zu schreiben, das Experten und Ahnungslose gleichermaßen anspricht.

* Falsches Bild? *

Dadurch, dass Silberstein nur die eine Seite der Medaille zeigt, hat er meiner Meinung nach beim Leser ein falsches Bild der sozialen Medien gezeigt. Nur ganz am Rande und nebenbei wird auch von Fällen berichtet, in denen die Algorithmen oder Automatismen nicht greifen. Wenn ich schon sehe, wie die ganzen Automatismen versagen, wenn ein Rechner von mehreren Usern benutzt wird, dann sehe ich unserer Zukunft deutlich gelassener entgegen als der Autor.

Natürlich ist nicht von der Hand zu weisen, dass es eben auch die (Negativ-)Beispiele gibt, in denen diese Art der Abrechnung gerechtfertigt scheint. Für mein persönliches Befinden ist diese etwas zu einseitig und zu wenig differenziert ausgefallen. Als Beispiel sei einseitigen Darstellung hinsichtlich “Jobkiller Digitalisierung” erwähnt, denn schon längst beweisen Studien, dass die Digitalisierung mehr Jobs schafft als abschafft, es allerdings zu einer Umstrukturierung der Arbeitswelt kommt.

Ebenfalls unerwähnt bleibt die Analyse der sozialen Medien, in der dargestellt wird, wie sehr der Einfluss von Facebook immer weiter abnimmt und wie wenig Firmen mittlerweile auf diese Seite setzen. Oder dass die Klicks, die Facebook durch eigene Werbung verspricht, ebenfalls von Klickfarmen generiert werden.

Aufklärung

Ich glaube, die Hauptmotivation, die diesem Buch zugrunde liegt, ist die Aufklärung. Durch seine persönliche Abrechnung möchte der Autor gleichzeitig aufklären. Von einem Autor, der von sich behauptet “Im Hauptberuf bin ich Comedy-Autor…” (S. 197) habe ich allerdings einen deutlich unterhaltsameren Schreibstil erwartet. Ich gebe zu, dass ich weder ihn noch seinen Blog im Vorfeld kannte, weswegen ich vielleicht dieser Fehleinschätzung unterlegen habe. Aber auch unabhängig vom Comedian-Faktor fand ich den Schreibstil nicht so leichtgängig, als dass ich mich von dem Buch gut unterhalten gefühlt habe.

Fazit

In meinen Augen hätte der Buchtitel umgedreht werden müssen: Eine Abrechnung: Das Internet muss weg. Silberstein zeigt lang und breit, wozu soziale Netzwerke in der Lage sein können (und auch waren). Er zeigt aber nicht bzw. lediglich relativ unzulänglich, wie die User mit den sozialen Netzwerken umgehen können.

Schlussendlich ist mir das Buch etwas zu einseitig aufgearbeitet und bietet mir als Leser keinen sonderlichen großen Wert, denn in meinen Augen ist die Gratwanderung ein Buch für Laien wie Experten zu schreiben, nicht geglückt.
Wem die Mechanismen der sozialen Netzwerke gänzlich unbekannt sind, der darf dennoch gerne zugreifen, muss allerdings in Kauf nehmen, das ein oder andere im Netz nachzuschlagen.

 

Wer sich direkt beim Autor über das Buch informieren möchte, der werfe einen Blick auf die Autorenhomepage (die Seite des Autors ist nicht mehr erreichbar) oder direkt auf der Verlagshomepage.

Die beiden mit * Sternchen * markierten Beiträge habe ich nur auf diesem Blog veröffentlicht. Das ist dem Umstand geschuldet, dass ich versuche, eine Buchbesprechung kurz und knackig zu halten, was mir in diesem Fall nicht gelungen ist.

 


 

zehn gründeAuf diesem Buchblog finden sich eine Rezension zum Buch  “Zehn Gründe, warum du deine Social Media Accounts sofort löschen musst” von Jaron Lanier. Das Buch hat mir deutlich besser gefallen, weil der Autor eben nicht mit den sozialen Medien “abrechnet”, sondern sich viel sachlicher mit den Thema auseinandersetzt. Lanier möchte im Grunde genommen das Internet behalten – kein Wunder, ist er einer der Internetpioniere aus dem Silicon Valley. Dennoch ist er nicht mehr in den sozialen Medien anzutreffen. Er nennt in seinem Buch zehn triftige Gründe.


 

Dieses Buch wurde mir vom Verlag als E-Book zur Verfügung gestellt.
Weitere Hinweise zu Rezensionsexemplaren finden sich auf der Verlagsübersicht.
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