[Rezension] Liebe Deinen Nächsten

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Titel: Liebe Deinen Nächsten
Autor: von Borstel, Gaby (Autor); Eickmeyer, Peter (Zeichner)
Genre: Graphic Novel
Verlag: Splitter Verlag
Wertung: ★★★★★
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Das Mittelmeer ist weit weg. Ebenso wie die Dramen, die sich dort auch heu­te noch abspie­len. Nur weil die Medien nicht mehr über die Flüchtlinge im Mittelmeer berich­ten, heißt es nicht, dass die Menschen sich nicht mehr auf die­se gefähr­li­che Flucht bege­ben.

Mit die­ser Graphic Novel wird ein neu­er Weg beschrit­ten, um über die Situation der Menschen vor Ort zu berich­ten. Im Juni 2016 bega­ben sich Gaby von Borstel (Text) und Peter Eickmeyer (Zeichnungen) an Bord der MS Aquarius, um haut­nah mit­zu­er­le­ben, wie die Situation für die Retter und Geretteten auf dem Mittelmeer aus­schaut.

Reportage mit eindrucksvollen Bildern

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© Peter Eickmeyer / Splitter

Somit ist die vor­lie­gen­de Graphic Novel kein Werk, in dem eine Geschichte erzählt wird, son­dern es ist mehr eine Reportage gewor­den, in der für jede Partei Raum ein­ge­räumt wur­de. Die Autoren stel­len zuerst das Team und das Boot vor, sowie wie die Idee ent­stand und umge­setzt wur­de.

Mit die­sem ruhi­gen Einstieg wird der Leser sehr ruhig und stim­mig auf das vor­be­rei­tet, was im Laufe der Mission gesche­hen wird. Es wer­den die ver­schie­dens­ten Teams eben­so vor­ge­stellt wie Techniken und Abläufe an Bord des Schiffes.

Mit dem Entdecken des ers­ten Flüchtlingboots ändert sich der Stil im Buch.

“Wir ver­lie­ren den Blick für den gan­zen Menschen mit sei­nem vor­he­ri­gen Leben, sei­nen Plänen und Wünschen.” (S. 93)

Es kom­men Menschen an Bord. Und die­sen Menschen wird auf den nun fol­gen­den Seiten viel Platz ein­ge­räumt. Von eini­gen Menschen wer­den die Einzelschicksale erzählt, spä­ter gibt es eini­ge groß­flä­chi­ge Großportraits. Die Portraits erzäh­len sehr beein­dru­ckend ihre ganz eige­ne Geschichte. Ohne Worte.

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© Peter Eickmeyer / Splitter

Dem auf­merk­sa­men Leser fällt der Stilbruch schon beim Lesen auf. Wenn nicht, dann macht Eickmeyer am Ende des Buchs dar­auf auf­merk­sam, dass die ers­ten Bilder unter Zuhilfenahme eines Rechners ent­stan­den sind, die Bilder aber, die an Board der MS Aquarius ent­stan­den, von ihm selbst als Aquarelle gezeich­net wur­den. Der Stilbruch beginnt mit der Sichtung des ers­ten Flüchtlingboots.

Migration hat es immer gege­ben. […]
Man kann sie als Chance oder als Bedrohung sehen.
Man kann die Menschen abweh­ren oder will­kom­men hei­ßen. (S. 104)

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© Peter Eickmeyer / Splitter

Natürlich wird das Buch vor allem am Ende poli­tisch. Eine sol­che Reportage kann nicht objek­tiv und distan­ziert blei­ben. Die Schicksale der Menschen berüh­ren. Allerdings wer­den in die­sem Buch gemä­ßig­te Töne ange­schla­gen. Das fin­de ich sehr gut, dass man das eine Extrem nicht mit einem ande­ren bekämp­fen möch­te.

Was in die­sem Buch fehlt, ist eine tief­grei­fen­de­re Auseinandersetzung mit der Thematik, dass man­chen NGOs vor­ge­wor­fen wird, mit den Schleppern zu koope­rie­ren und somit für einen Teil des Flüchtlingsstroms ver­ant­wort­lich zu sein. Es fin­det sich aber ein klei­ner Hinweis auf die­se Problematik:

NGOs wie SOS Mediterranee reagie­ren auf die­se Notlage, sie pro­du­zie­ren sie nicht. (S. 104)

Das ist in mei­nen Augen wich­tig, sich nicht der Notlage der Menschen zu ver­schlie­ßen und den NGOs zu Mitverantwortlichen zu machen, selbst wenn es das ein oder ande­re schwar­ze Schaf unter ihnen geben soll­te.

Fazit

Diese Graphic Novel Reportage führt uns allen eines vor Augen: Es geht um Menschen und um Menschlichkeit. Es geht in die­sem Buch nicht um die Integration der Flüchtlinge in Europa, son­dern es wird in ers­ter Linie davon berich­tet, was den Menschen wider­fährt, wenn sie sich auf die­se Reise bege­ben.

Ich den­ke, dass bei aller Politik eines sehr deut­lich wird. Es ist unver­ant­wort­lich, Menschen bewusst ertrin­ken zu las­sen. Deshalb schließt das Buch dann auch mit den fol­gen­den Sätzen:

Wir wer­den sie nicht ertrin­ken las­sen. Wie wer­den nicht taten­los zuse­hen.” (S. 117)

Weitere Informationen und eine Leseprobe fin­det sich auf den Seiten des Splitter-Verlags.

Ein Teil der Erlöse aus den Buchverkäufen geht als Spende an die SOS Mediterranee (Amazon-Link (affi­lia­te)).

Mehr Informationen zu die­ser NGO fin­den sich unter www.sosmediterranee.org.

Das Projekt pflegt einen eige­nen Blog.

In die­sem Zusammenhang eben­falls emp­feh­lens­wert die Reportage “Rettung in letz­ter Sekunde” aus der Dokumentationsreihe 37 Grad des ZDF. Das Video war bis zum 03.07.2018 abruf­bar.

 

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