[Satire] Die Hungrigen und die Satten

Was für unrea­lis­ti­sches Szenario, dass Flüchtlinge einen Weg fin­den, sich vor eine euro­päi­sche Grenze zu stel­len, um einen Einlass zu erzwin­gen. Oder doch nicht? Timur Vermes hat­te mit Sicherheit nicht im Sinn gehabt, dass die­ses Szenario tat­säch­lich mal ein­tritt. Es sind zwar „nur“ weni­ge Tausend Menschen, die an der pol­ni­schen Grenze Europas Hilflosigkeit im Umgang mit den Flüchtlingen auf­zei­gen, aber es geht eben genau dar­um: Die Hilflosigkeit der Politik.

Klar, Timur Vermes treibt es ein wenig auf die Spitze, denn es sind eben nicht nur ein paar Tausend, son­dern gleich meh­re­re hun­dert­tau­send Menschen, die sich von Afrika aus auf den Weg nach Deutschland machen. Zu Fuß. In einem rie­sen­gro­ßen Treck von Menschen, die durch Afrika gelotst wer­den. Es beginnt schön weit weg, so dass alle Verantwortlich mit ruhi­gem Gewissen sagen kön­nen, dass es Deutschland nicht direkt betrifft. Sollen doch erst­mal die ande­ren damit fer­tig­wer­den.

Um der Geschichte den gewis­sen Kick zu geben, wird der Treck von einer erfolg­rei­chen Journalistin samt Kamera-Team beglei­tet, die eigent­lich nur als „Engel im Elend“ für Einschaltquoten im Privatfernsehn sor­gen soll­te. Und die bekommt sie und die Sendung wird zum Quotenhit. Der geneig­te Leser merkt schon, dass an allen Ecken und Kanten arg über­trie­ben wird, aber so über­trie­ben das Szenario geschrie­ben ist, des­to trau­ri­ger der Blick in die Realität.

Die Geschichte wird aus dem Blickwinkel unter­schied­li­cher Personen erzählt, um eben einen Blick auf die titel­ge­ben­den Hungrigen und Satten zu wer­fen. Was ist wel­chen Menschengruppen wich­tig und wofür kämp­fen sie? In dem Hörbuch wer­den sie wun­der­bar von Christoph Maria Herbst ver­kör­pert, der durch sei­ne Stromberg-Rolle bei vie­len genau die pas­sen­de sati­ri­sche Grundnote inne­hat. Er schafft es, nicht nur ein­fach das Buch zu lesen, son­dern den Figuren auch einen indi­vi­du­el­len und dra­ma­ti­schen Touch zu ver­lei­hen, der das Buch zu einem Hörerlebnis wer­den lässt.

Fazit

Die sehr bis­si­ge Geschichte pran­gert die Flüchtlingspolitik der Europäer und der deut­schen Regierung an. Der Autor zeigt auf viel­fäl­ti­ge Weise, an wel­chen Stellen es im Getriebe knirscht. Dass sei­ne Geschichte plötz­lich eine aktu­el­le Brisanz erfährt, konn­te Timur Vermes sicher­lich nicht erah­nen. Aber nicht nur des­halb kann ich das Hörbuch all jenen emp­feh­len, die gern in der Satire unter­wegs sind.

buchcover

Titel: Die Hungrigen und die Satten
Autor: Vermes, Timur
Sprecher: Herbst, Christoph Maria
Genre: Hörbuch/Humor/Satire
Hörzeit: 15 Stunden und 13 Minuten
Verlag: Lübbe Audio
Print: Eichborn

5/5

Herkunft: Deutschland
Jahr: 2021

Meine Meinung zur aktu­el­len Situation – der Abschnitt ent­hält dezen­te Spoiler

In dem Buch sind es nach­her über 400.000 Menschen, die sich bis zur deut­schen Staatsgrenze durch­ge­mo­gelt haben und wo der tra­gi­sche Showdown erfolgt. Das Szenario ist auf die­ser Art und Weise natür­lich wenig rea­lis­tisch, weil die EU ihre Außengrenzen schützt, wie aktu­ell in Polen zu sehen ist. Dass eine sol­che Situation dazu geeig­net ist, Menschengruppen oder gar kom­plet­te Regierungen zu radi­ka­li­sie­ren, stimmt dann wie­der mit den Einschätzungen des Autors über­ein.

Dabei wäre die Situation rela­tiv ein­fach zu lösen. Man baut ein Zeltlager in Polen und ent­schlackt end­lich das Asylrecht, so dass die Menschen rela­tiv schnell Gewissheit haben, ob ein Asylantrag in der EU über­haupt mög­lich ist. Immerhin sind es nur ein paar Tausend Menschen, die der­zeit unter unwür­di­gen Bedingungen nicht nach Europa her­ein­ge­las­sen wer­den.

Anschließend muss Belarus mit wei­te­ren Sanktionen beauf­schlagt wer­den und zur Not kom­plett an den Tropf Russlands ange­hängt wer­den.

Dass in Europa noch immer die meis­ten Staaten kei­ne oder nur sehr weni­ge Flüchtlinge auf­neh­men, ist ganz unab­hän­gig davon ein Armutszeugnis. Europa könn­te als Solidargemeinschaft sehr viel mehr errei­chen, lässt sich aber viel zu sehr von den klei­nen Staaten trei­ben, die nur auf das Geld der EU aus sind und die Werte, für die Europa ein­steht, mit Füßen tritt. Dieses “Wir schaf­fen das” der schei­den­den Bundeskanzlerin war genau dar­auf aus­ge­rich­tet. Verteilt auf alle EU-Länder könn­te Europa deut­lich mehr Hilfestellung geben.

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2 Kommentare

  1. Hi Frank!

    Das klingt defi­ni­tiv sehr inter­es­sant!
    Ich hat­te ja vor eini­gen Jahren mal ver­sucht, in “Er ist wie­der da” rein­zu­le­sen und bin gar nicht rein­ge­kom­men.
    Jetzt ist mir letz­tens das Hörbuch über den Weg gelau­fen – und da ich ja schon län­ger mal Hörbücher aus­pro­bie­ren möch­te und ich fin­de, dass Chr. M. Herbst groß­ar­tig vor­liest, hab ich den Versuch gestar­tet. Allerdings bin ich noch nicht weit gekom­men *lach* Seine Stimme für Hitler mit der typi­schen Sprach-Eigenschaft ist für mich echt anstren­gend zum anhö­ren. Grade zu Beginn … aber ich hof­fe, dass ich die­ses Mal doch schaf­fe, es mir kom­plett anzu­hö­ren.

    Liebste Grüße, Aleshanee

    1. Hi Aleshanee,
      um “Er ist wie­der da” habe ich bis­her immer einen Bogen gemacht. Weiß auch nicht war­um. Kann mir gut vor­stel­len, dass es als Hörbuch anstren­gend sein kann. Da tust Du Dir mit die­sem hier viel­leicht eher einen Gefallen.
      Auch wenn es ange­sichs der uner­träg­li­chen Verhältnisse an der pol­ni­schen Grenze einen stark aktu­el­len Bezug hat und sich dadurch in einem ande­ren Licht zeigt.
      Viele Grüße
      Frank

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