[Sprachkapriolen Nr. 3] ÜberzeuGENDERe Sprache: Wirklich?!

Es gibt immer wie­der Beiträge, die schrei­be ich, um sie irgend­wann als “Lückenfüller” oder als klei­ne Abwechslung zwi­schen die vie­len Rezensionen ein­zu­streu­en. Der fol­gen­de Beitrag über die “überzeuGENDERe Sprache” wird aktu­ell von der Politik und den Medienberichten ein­ge­holt. Aus die­sem Grund gibt es die­sen Beitrag über eine gen­der­ge­rech­te Sprache schon jetzt zu lesen.

Immer öfter lese ich, dass Blogger gen­der­ge­recht schrei­ben sol­len. Es gibt vie­le Beiträge, die for­dern, dass das gene­ri­sche Maskulin abge­schafft wer­den soll, weil die­ses die anders­ge­schlech­ti­gen Mitmenschen dis­kri­mi­nie­ren (es wird noch dis­ku­tiert, wie­vie­le Geschlechter es wohl geben mag. Bis zu 60 unter­schied­li­che Geschlechter ste­hen aktu­ell im Raum). Ich per­sön­lich stel­le mich ganz bewusst gegen die­sen Trend und wer­de auch wei­ter­hin auf die­sem Blog von Lesern reden und damit die gesam­te Leserschaft mei­nen.

Ich habe in letz­ter Zeit häu­fig ein Bespiel gele­sen, das ver­deut­li­chen soll, wie es zu Missverständnissen kommt, weil die Formulierung nicht gen­der­ge­recht umge­setzt wur­de. Das Beispiel lau­tet so:

Ein Vater fährt mit sei­nem Sohn im Auto. Sie ver­un­glü­cken. Der Vater stirbt an der Unfallstelle. Der Sohn wird schwer ver­letzt ins Krankenhaus ein­ge­lie­fert und muss ope­riert wer­den. Ein Arzt eilt in den OP, tritt an den Operationstisch her­an, auf dem der Junge liegt, wird krei­de­bleich und sagt: “Ich bin nicht im Stande zu ope­rie­ren. Dies ist mein Sohn”.

Der “Clou” bei die­sem Beispiel: “Ein Arzt” soll in die­sem Fall die Gesamtheit aller Ärzte beinhal­ten, also sowohl Ärzte wie Ärztinnen. Das Dumme an die­sem Beispiel: in die­sem Kontext tut er es nicht. Dadurch, dass ein kon­kre­ter Arzt gemeint ist, wird hier eben nicht das gene­ri­sche Maskulin ver­wen­det. Witzigerweise neh­men die Autoren, die die­ses Beispiel ver­wen­den, nicht das­sel­be, um zu ver­deut­li­chen, wie es gen­der­ge­recht for­mu­liert wer­den soll­te. Das kann jeder ger­ne ver­su­chen. Es funk­tio­niert nicht: Ein:e A:Ärzt:in eilt in den OP …

Die Frage nach der gen­der­ge­rech­ten Sprache hört natür­lich nicht beim Gendersternchen aus. Möchte man kon­se­quent sein, müs­sen wei­te­re Aspekte berück­sich­tigt wer­den, weil sich man­che Begrifflichkeiten im Deutschen per se mas­ku­lin anhö­ren und die­se dann grund­sätz­lich ver­mie­den wer­den müs­sen. Dazu gehö­ren “man” oder “wer” oder “jemand” oder “nie­mand” usw.

Es gibt dann Sätze, die so nicht mehr funk­tio­nie­ren und ersatz­los gestri­chen wer­den müs­sen. Wie soll­te auch der fol­gen­de Satz gen­der­ge­recht for­mu­liert wer­den?

Niemand darf wegen sei­nes Geschlechts bevor­zugt wer­den.

Eine Alternative wäre:

Keine:r darf wegen ihres:seines Geschlechtes benach­tei­ligt wer­den.”

Und nun sagt mir jemand, dass die­se alter­na­ti­ve Formulierung, das Lesen nicht erschwert.

Was hilft es, wenn die Online-Dudenredaktion ver­sucht mit einer neu­en “Vergenderung” des Online-Angebots auf sich auf­merk­sam zu machen, wenn ein geschlecht­er­neu­tra­les Deutsch gar nicht mög­lich ist. Denn es gibt sehr vie­le Beispiele, die zei­gen, dass eine gen­der­ge­rech­te Sprache ein­fach nicht mög­lich ist und Formulierung folg­lich ver­mie­den wer­den müss­ten. So gibt es dann auch kei­ne Krankenschwester mehr, son­dern den Kranken- und Gesundheitspfleger:in, neben der Tagesmutter auch den Tagesvater und neben dem Zimmermann auch die Zimmerfrau.

Sehr schön auch der Vorstoß, dass bei­de Artikel mit­ein­an­der ver­mischt wer­den. Dann gibt es “dier* Leser*in” oder “d_ier Hörer_in”. Ich glau­be, dass es dann mehr Sinn macht, die bei­den Artikel ganz weg­zu­las­sen: “das Leser” und “das Hörer”. Und nein, auch das sind nicht alles mei­ne Ideen. Das sind Ideen, die tat­säch­lich dis­ku­tiert wer­den.

Der Leser merkt, es wird albern. Genau aus die­sem Grund blei­be ich dabei, dass es unfug ist, der deut­schen Sprache das gene­ri­sche Maskulin ent­zie­hen zu wol­len, weil es nicht mög­lich ist, dies aus unse­rem Sprachgebrauch in aller Konsequenz zu ent­fer­nen.

Und weil ich hier einen Buchblog betrei­be, bezie­he ich mich natür­lich auch auf Bücher. Romane in gen­der­ge­rech­ter Sprache habe ich tat­säch­lich noch nicht gele­sen (dafür lese ich ver­mut­lich auch in den fal­schen Genres), aber bei dem ein oder ande­ren Sachbuch kam es schon zur Geltung. Und gera­de in Büchern fällt es auf, dass die Umsetzung sehr inkon­se­quent erfolgt.

Übrigens 1: Es gibt eben­so vie­le Studien pro wie es Studien kon­tra der gen­der­ge­rech­ten Sprache gibt. In offi­zi­el­len Schreiben und Stellenanzeigen mag es recht­li­che Vorgaben geben, wel­che Formulierungen erlaubt sind und wel­che nicht. Verlage und Autoren jeg­li­cher Art sind nicht dar­an gebun­den.

Übrigens 2: Meine Beiträge gegen eine gen­der­ge­rech­te Sprache rich­ten sich expli­zit nicht gegen die Gleichstellung der Geschlechter oder gegen Aktionen wie #DiverserLesen oder #WirLesenFrauen oder gegen die gro­ße Gruppe der LGB­T­QI+. Hier gibt es gesell­schaft­lich auf jeden Fall noch Handlungsbedarf.

Übrigens 3: Mir fällt auf, dass die rech­te Fraktion die­sen Ball auf­nimmt und für sich ver­ein­nah­men möch­te. Sich gegen die Verhunzung der deut­schen Sprache aus­zu­spre­chen hat nichts damit gemein, hirn­lo­se rechts­ra­di­ka­le Phrasen in die Welt hin­aus­zu­po­sau­nen.

Nachtrag: Zum Weltfrauentag hat die Aktion Mensch die Ergebnisse einer reprä­sen­ta­ti­ven Umfrage ver­öf­fent­licht. Das Ergebnis:

Frauen mit Behinderung sind die Verliererinnen auf dem Arbeitsmarkt

Zum Weltfrauentag: Repräsentative Studie der Aktion Mensch belegt dop­pel­te Diskriminierung

  • Aktuelle Studie zeigt: Frauen mit Schwerbehinderung auf dem Arbeitsmarkt mehr­fach benach­tei­ligt
  • Niedrigstes Einkommen im Gruppenvergleich, am sel­tens­ten in Vollzeitarbeit, füh­len sich von Aufstieg und Führung fern­ge­hal­ten

Aktion Mensch appel­liert für Bekenntnis zu Inklusion und Gendergerechtigkeit

Quelle: Pressemitteilung vom 08.03.21

Was nützt es den Frauen, wenn wir nun alle schön das Gendersternchen benut­zen und damit das Gefühl ver­mit­teln, damit sei der Gendergerechtigkeit genü­ge getan? Vielmehr müss­te viel öfter dar­über berich­tet wer­den, wo es tat­säch­lich an sozia­ler Ungerechtigkeit man­gelt, damit es irgend­wann in den Köpfen der Verantwortlichen ankommt.

12 Kommentare

  1. Hi Frank,

    ein schwie­ri­ges Thema momen­tan, aber ich sehe es auch ähn­lich wie du.

    Die Blogger – simp­le und ein­fach und neu­tral. ALLE sind gemeint und fer­tig. Ich weiß nicht, war­um man das nicht so ste­hen las­sen kann. Vor allem: bei jeder Mehrzahl steht ein “die” davor, also die weib­li­che Form, das hebt doch das männ­li­che “Blogger” eigent­lich wie­der auf 😀

    Was ich nicht schlecht fin­de: Spezielle Menschen, die das möch­ten mit spe­zi­el­len Pronomen anzu­spre­chen. Das hab ich in der Trilogie von Becky Chambers so gele­sen und auch in Sanctuary. Das gilt dann eben nicht für alle und über­all, son­dern wirk­lich nur im Umgang mit dem/derjenigen, die das so haben möch­te.
    Da hieß es dann zum Beispiel: Ser Name ist XXX. Ich hab mich mit ser unter­hal­ten.

    Die ande­ren Pronomen fal­len mir gra­de nicht ein, aber in Sanctuary hat­te das eine Person einer ande­ren sogar kurz erklärt und alle auf­ge­führt. Das klingt im ers­ten Moment komisch, aber man gewöhnt sich schnell dran. Was ich okay fin­de, wenn man nicht spe­zi­ell er oder sie benut­zen soll.

    Alles ande­re fän­de ich aber Quark 😀

    Liebste Grüße, Aleshanee

    1. Guten Morgen Aleshanee,
      wenn es doch nur so ein­fach wäre 😉 Das mit neu­en Pronomen und Artikeln hat­te ich tat­säch­lich auch mal irgend­wo anders gele­sen, aber das kann ja nur funk­tio­nie­ren, wenn alle mit­ma­chen. War es nicht auch der Duden, der ein Wort für “nicht mehr durs­tig” such­te? Gefunden wur­de es, ist aber wie­der in Vergessenheit gera­ten, weil es kei­ner benutzt hat.

      Guten Start in die Woche und herz­li­che Grüße
      Frank

      1. Es wäre eigent­lich ein­fach, wenn man nicht 100fach dif­fe­ren­zie­ren müss­te.
        Da heißt es immer, wir sind alle Menschen und alle gleich, dann soll man aber wie­der alle extra benen­nen. Ich fin­de das sehr ner­vig.
        Die all­ge­mei­ne Bezeichnung spricht ALLE an und gut ist. Ich weiß nicht, war­um man dar­über so eine ewi­ge Diskussion star­ten muss. Das geht ja schon lan­ge durchs Netz und wird uns sicher noch lan­ge beglei­ten

        1. Das den­ke ich auch, dass das Thema uns noch öfters über den Weg lau­fen wird. Wenn die Energie nur genutzt wer­den wür­de, um wirk­lich Änderungen her­bei­zu­füh­ren, damit eine Gleichstellung erzielt wer­den kann …

    1. … und ich dan­ke für Deinen Besuch 😉 und wün­sche Dir heu­te auch ohne Montagsfrage einen guten Start in die Woche 😀

  2. Hallo Frank,

    ich bin durch Aleshanee auf dei­nen Artikel auf­merk­sam gewor­den. Ich stim­me ein­fach kom­plett mit dem, was du geschrie­ben hast, über­ein.
    Bei der gan­zen Genderdiskussion den­ke ich auch immer über Wörter wie Coach oder Mädchen nach. Das Mädchen. Sächlich. Ist etwa das gram­ma­ti­ka­li­sche und das bio­lo­gisch (oder das mit dem man sich iden­ti­fi­ziert) nicht das­sel­be!? :O Warum macht da nie­mand ein Fass auf?
    Oder wie soll sich ein weib­li­cher Coach nen­nen? Die Coachin? Klingt auch bescheu­ert.

    Im Endeffekt ist es doch auch egal, ob ich Student oder Studentin bin. Ich stu­die­re. Fertig.

    Ein wirk­lich tol­ler Artikel von dir! Habe mich total drin wie­der gefun­den. 🙂

    Liebe Grüße
    Anna

    1. Hallo Anna,

      vie­len Dank für Deine Worte. Ich erfah­re erstaun­li­cher­wei­se fast nur Zustimmung, dass das gene­ri­sche Maskulin im Deutschen nicht aus­zu­lö­schen ist und vie­le die Diskussion als nicht ange­bracht emp­fin­den. Dann wol­len wir hof­fen, dass uns die Coachin künf­tig erspart bleibt 🙂

      Viele Grüße
      Frank

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