[Utopie] Der Wal und das Ende der Welt

Buchcover Der Wal und das Ende der Welt

Titel: Der Wal und das Ende der Welt
Autor: Ironmonger, John
Genre: Utopie
Seitenzahl: 480
Verlag: Fischer Verlag
Wertung: ★★★★★
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Bei diesem Buch wusste ich überhaupt nicht, was mich erwartete. Die Beschreibung war vage und der Klappentext etwas dürftig. Ich habe mich einzig und allein auf die Qualität der Bücher aus den Fischer Verlagen verlassen und mich blind in dieses Leseabenteuer gestürzt. Wer sich ebenfalls lieber in unbekannte Gewässer stürzt, schließe nun das Browserfenster und setze sich mit diesem Buch in eine gemütliche Ecke. Alle anderen hingegen dürfen sich der folgenden Frage hingeben: Wie kann ein gestrandeter Wal und ein nackter Mann ein Aufhänger für eine tiefgreifende Geschichte sein?

Der Wal …

Und so beginnt die Geschichte sehr merkwürdig. Ich würde sogar behaupten, dass die ganze Szenerie recht befremdlich war, wie der unbekannte nackte Mann in der kleinen englischen Gemeinde aufgenommen wurde. Nicht selten habe ich mich zu Beginn des Buchs gefragt, wohin das ganze führen soll und ob es einen Sinn in der Geschichte geben wird.

… und das Ende der Welt

Und dann entwickelt sich die Geschichte und offenbart nach und nach ihr gesamtes Potential. Am Anfang war ich ein wenig irritiert, wie die Geschichte erzählt wird. Wie zwischen verschiedenen Zeitebenen und Erzählachsen gesprungen wird, ohne dass sich ein stimmiges Bild zu ergeben scheint.

Nach und nach zeigt diese Erzählung dann ihr wahres Gesicht und entwickelt sich zu einer waschechten Utopie, bei der die Menschen und ihr Verhalten im Krisenfall im Fokus steht. Und plötzlich steht die folgende Fragen im Raum:

»Wie werden Sie sich verhalten, Joe Haak?« […] »Wie werden wir alle uns verhalten?«
(bei 77% des E-Books)

Emotional

Nicht nur inhaltlich hat mir die Geschichte sehr gefallen, sondern auch wie sie erzählt wurde. Bei allen Merkwürdigkeiten schafft sie es, mich zum Nachdenken anzuregen und mir die Charaktere sehr nah zu bringen. Es gibt immer wieder überraschende und emotionale Momente. Ich finde es erstaunlich, wie emotional Kirchenglocken sein können – selbst wenn ich sie nicht hören, sondern nur von ihnen lesen kann.

Der Wal spielt natürlich ebenfalls noch eine Rolle, die ich hier nicht näher ausführen möchte. Glücklicherweise lässt uns der Autor am Ende an seinen Gedankengängen teilhaben und erläutert, wie Teile seiner Geschichte entstanden sind und welcher Wahrheitsgehalt ihnen inne wohnt.

Wie lässt man eine solche Geschichte enden? Es ist erstaunlich, mit welchem Geschick und Feingefühl der Protagonist Joe Haak das Ende erleben darf. So müssen solche Bücher enden. Einfach toll.

Fazit

Ich habe dieses Buch vollkommen unvoreingenommen begonnen und wurde von Kapitel zu Kapitel und von Seite zu Seite zusehends tiefer in die Geschichte gezogen und in ihren Bann gezogen. Urplötzlich stehen Frage nach der Menschlichkeit und des Zwischenmenschlichen im Mittelpunkt des Buchs, so dass ich mehrfach positiv und angenehm überrascht wurde. Wer sich gern tiefgreifender Literatur widmet, der muss hier einfach ein Blick riskieren. Mich hat das Buch nachdenklich und gleichsam begeistert zurückgelassen.

Zumal finde ich persönlich, dass in letzter Zeit viel zu viele Dystopien veröffentlicht werden, so dass es mehr solcher Utopien geben sollte, die mich mit einem Hoffnungsschimmer zurücklassen und nicht tief deprimiert.

 

Dieses Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt. Weitere Hinweise zu Rezensionsexemplaren findet sich auf der Verlagsübersichtsseite.
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5 Kommentare

  1. Hi Frank,

    ich bin grade wirklich über den Begriff “Utopie” gestolpert – denn das liest man wirklich fast nie!
    Dystopien gibt es ja grade wie Sand am Meer, deshab ist es schön, das du das Buch vorstellst. Das Cover ist mir schon aufgefallen, aber damit konnte ich nicht viel anfangen.
    Von der Verwirrtheit zu Anfang und dem sich immer mehr begeisterndem Lesen und das Gefühl der Menschlichkeit erinnert es mich an “Wie Eulen in der Nacht” – bei dem Buch erging es mir ganz ähnlich. Ich werd mir den Wal jetzt auf jeden Fall mal merken!

    Liebste Grüße, Aleshanee

  2. Hallo Aleshanee,

    witzigerweise ist das Buch bei Amazon unter den Dystopien verortet und ich habe von Meinungen gelesen, die ihn als “Endzeitroman mit optimistischer Aussage” betiteln. Irgendwie ist das aber nach meinem Verständnis eine Utopie – irgendwie scheint dieser Genrebegriff abhanden gekommen zu sein. Vielleicht liege ich ja auch falsch.
    “Wie Eulen der Nacht” kenne ich nun wiederum nicht. Muss ich mal bei Dir suchen gehen 😉

    Viele Grüße
    Frank

    1. Hm, naja, also unter was die Bücher oftmals eingeordnet werden ist ja fraglich *g*
      Aber ich finde auch, das ist eine Utopie – so wie sich das anhört. Wahrscheinlich kann kaum mehr was mit dem Begriff anfangen 😀

      “Wie Eulen in der Nacht” ist ziemlich strange und anfangs weiß man echt gar nicht, was man davon halten soll. Aber wenn man sich über die ersten 50 Seiten rauskämpft, wird es wirklich sehr sehr gut! Eben auch zu Herzen gehend und mit viel Menschlichkeit. Das Buch ist leider bei vielen nicht gut angekommen, für mich war es eine seltene Perle 🙂

      1. Du hast recht. ich habe gerade erst eine Rezension zu dem Buch auf literaturwerkstattkreativblog.wordpress.com gelesen und dort stand im Fazit: “keine wirkliche Dystopie die einen hinunterzieht, sondern er hinterlässt einen eher mit positiver Botschaft” – tja, sowas nennt sich dann wohl Utopie 😀 Witzig, dass alle nur noch “dystopisch” und gar nicht mehr “utopisch” denken.

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