[Biografie] Lieber Papa, bist du jetzt verrückt?

Buchcover Liber Papa bist Du jetzt verrückt

Titel: Lieber Papa, bist du jetzt ver­rückt?: Mein Vater, sei­ne Depression und ich
Autor: Hauck, Katja
Genre: Biografie
Seitenzahl: 224
Verlag: Bastei Lübbe
Wertung: ★★★★☆
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In die­sem Buch wird ein Briefwechsel zwi­schen einem an einer schwe­ren Depression erkrank­ten Vater und sei­ner Tochter wie­der­ge­ge­ben. Nicht mehr und nicht weni­ger. Damit geben die bei­den zwar einen Einblick in ihre Gefühlswelt, aber an vie­len Stellen habe ich mir als Leser ein biss­chen mehr Input gewünscht.

Bezüge

Ich schrei­be übri­gens nicht umsonst “die bei­den”, denn das Buch ist glei­cher­ma­ßen von Katja Hauck wie auch von ihrem Vater Uwe Hauck geschrie­ben wor­den. Es gibt immer wie­der Bezüge zum Buch des Vaters, die nicht auf­ge­klärt wer­den, wenn z.B. unver­mit­telt von Masken oder einer Internetsucht die Rede ist. Nicht, dass der Leser nicht erra­ten könn­te, wor­um es gin­ge, ein paar erläu­tern­de Worte wären an die­sen Stellen sicher­lich hilf­reich gewe­sen.
Das gleich gilt, als plötz­lich mehr oder weni­ger in einem Nebensatz vom Vater gesagt wird, dass bei der Tochter an einer mil­den Form des Autismus dia­gnos­ti­ziert wur­de. Solche Sätze fal­len voll­kom­men unre­flek­tiert und las­sen den Leser damit allein.

Der Selbstmordversuch des Vaters Uwe Hauck und die Auswirkungen auf die Familie wer­den hin­ge­gen durch­aus the­ma­ti­siert, ohne aber näher dar­auf ein­zu­ge­hen. Allerdings muss er in einer beson­de­ren Art und Weise statt­ge­fun­den haben, wenn Uwe Hauck fol­gen­des sei­ner Tochter schreibt:

Ich glau­be übri­gens nicht, dass ich jemals über mei­ne Depression und die Ängste offen gespro­chen hät­te, wenn der Suizidversuch nicht eben­so öffent­lich gesche­hen wäre.
Uwe Hauck bei ca. 89% des E‑Books

Normalität

Eines der gro­ßen Probleme von Depressionen ist, dass sie lan­ge uner­kannt blei­ben. Auch von den Betroffenen selbst. Vor allem zu Beginn des Buchs wird die­ser Art der Normalität the­ma­ti­siert, wie nor­mal erkrank­te Menschen auf ihre Umgebung wir­ken und wie wenig sie auf­fal­len. Bis dahin­ge­hend, dass sie nach außen hin äußerst selbst­be­wusst auf­tre­ten.

All die Jahre davor war es in den Augen von Mama und uns Kindern nor­mal. Wenn man etwas nicht anders kennt, wird das zur Normalität.
Katja Hauck bei ca. 14% des E‑Books

Nach außen hin habe ich wahr­schein­lich ziem­lich selbst­si­cher gewirkt, aber inner­lich fühl­te ich mich immer zer­bro­che­ner, fal­scher.
Uwe Hauck bei ca. 15% des E‑Books

In mei­nen Augen hät­te es dem Buch gut­ge­tan, wenn ein Dritter über die Texte drü­ber­ge­schaut hät­te. Natürlich woll­te das Vater-Tochter-Gespann die Authentizität bewah­ren und haben ihre Briefe wei­test­ge­hend unmo­di­fi­ziert ver­öf­fent­licht, aber dadurch sind ein paar Dinge im Buch ent­hal­ten, die ich als stö­rend emp­fun­den habe.

So fehl­te mir manch­mal eine Differenziertheit zwi­schen Begrifflichkeiten, wie z.B. zwi­schen dem fei­nen aber wesent­li­chen Unterschied zwi­schen Alleinsein und Einsamkeit. Denn oft­mals schreibt Katja Hauck davon, dass sie allein war, mein­te aber ein­sam. Gleichzeitig wie­der­ho­len sich diver­se Inhalte immer wie­der, so wie in einem Briefwechsel zuwei­len üblich.

So ist z.B. immer wie­der von Ängsten der Familienmitglieder die Rede und immer wie­der bestär­ken die bei­den sich in den Briefen unter­ein­an­der. Dabei kommt ein Aspekt ein biss­chen zu kurz, den Katja selbst aus­for­mu­liert:

[…]ich weiß, dass ich nicht sehr viel über mei­ne Gefühle schrei­be […] Katja Hauck bei ca. 60% des E‑Books

Kommunikation

Innerhalb des Briefwechsels kommt eines sehr deut­lich zum Vorschein, was aller­dings wenig über­ra­schend ist, aber den­noch immer wie­der ver­nach­läs­sigt wird. Die Wichtigkeit der offe­nen Kommunikation unter­ein­an­der und deren durch­gän­gig not­wen­di­ge Pflege.

Im Nachhinein hal­te ich es immer noch für einen Fehler, dass wir euch nicht von Anfang an die Wahrheit gesagt haben.
Uwe Hauck bei ca. 88% des E‑Books

Fazit

Als Autoren für die­ses Buch müss­ten eigent­lich sowohl die Tochter als auch der Vater genannt wer­den, denn es han­delt sich um einen wech­sel­sei­ti­gen Austausch zwi­schen den bei­den. Wie mir erscheint, han­delt es sich um einen inhalt­lich unbe­ar­bei­te­ten Briefwechsel, was hier und da durch­aus nega­tiv auf­fällt. So sind die Texte zwar authen­tisch und ver­mit­teln eini­ge Gedankengänge von Angehörigen und von Depressionen Betroffenen und zei­gen zudem, wel­che Kreise eine sol­che Erkrankungen zie­hen kann. Auf der ande­ren Seite hät­te so man­che Passage gestrafft und inhalt­lich ange­passt wer­den kön­nen, um Wiederholungen zu ver­mei­den und um etwas mehr in die Tiefe zu gehen.

Trotz aller Kritik mei­ner­seits ist es den bei­den gelun­gen, einen Blick in eine Familie zu gewäh­ren, die von der psy­chi­schen Erkrankung des Vaters geprägt wur­de und noch immer ist. Der Leser muss dafür eben­so auf­ge­schlos­sen sein, wie für den Umstand, dass der Briefwechsel unkom­men­tiert und ohne wei­te­re Informationen ver­öf­fent­licht wur­de.


Ein biss­chen off­topic und des­halb nicht Bestandteil der eigent­li­chen Buchbesprechung ist fol­gen­der Absatz von Katja Hauck, der jetzt weni­ger mit dem Thema Depression zu tun hat. Den zitie­re ich ohne wei­te­ren Kommentar:

Aber wir haben auch noch viel drau­ßen gespielt, waren also nicht die­se Art Kinder, die angeb­lich nur am Rechner sit­zen. Ganz ehr­lich ken­ne ich auch heu­te nie­man­den, der so drauf ist. Ist viel­leicht eher eine Erfindung von Erwachsenen, die mit dem Interesse ihrer Kinder für Computer nicht klar­kom­men.
bei ca. 16% des E‑Books


Der Vater Uwe Hauck (der ja das vor­lie­gen­de Buch zur Hälfte mit­ge­schrie­ben hat), betreibt neben sei­ner Autorenhomepage (nicht mehr erreich­bar) auch den Blog Living the future. Sein Buch “Depression abzu­ge­ben” ist eben­falls bei Bastei Lübbe erschie­nen. Ich selbst habe die­ses Buch aller­dings noch nicht gele­sen.

Eher an klei­ne­re Kinder rich­tet sich das Buch “Papas Seele hat Schnupfen” (nicht von der Familie Hauck geschrie­ben), mit dem klei­ne­ren Kindern eine Depression des Vaters erklärt wer­den kann.


Wer bei sich selbst oder einem Angehörigen Merkwürdigkeiten ent­deckt, die auf eine Depression oder gar einen bevor­ste­hen­den Selbstmord hin­deu­ten, der wen­de sich an die kos­ten­frei­en Nummern der Notfall-Seelsorge und Suizid-Prävention:

0800 111 0 111 (ev)
0800 111 0 222 (rk)
0800 111 0 333 (für Kinder und Jugendliche)

Noch mehr Informationen und Hilfsangebote für Betroffene fin­den sich im Internet unter suizidprophylaxe.de. Dort gibt es auch ein paar inter­es­san­te Gedanken zur Wortwahl. So fällt im vor­lie­gen­den Buch kein ein­zi­ges Mal das Wort “Selbstmord”, son­dern es ist ledig­lich vom Suizid die Rede. Nicht, dass Uwe Hauck und sei­ne Familie sei­nen Selbstmordversuch zu beschö­ni­gen ver­su­chen und sie ver­wen­den auch nicht den unan­ge­brach­ten Begriff des “Freitods”, aber den­noch fin­de ich die Wortwahl inter­es­sant.


Dieses Buch wur­de mir freund­li­cher­wei­se vom Verlag zur Verfügung gestellt. Weitere Hinweise zu Rezensionsexemplaren fin­det sich auf der Verlagsübersichtsseite.
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