Ich war etwas irritiert, als nach ca. 20% der Mörder einer Mordserie präsentiert wurde. Sollte dieser Krimi nicht dem üblichen Schema folgen? Als ein weiterer Mord geschah, so schien es, als würde dann doch wieder der übliche Krimi-Pfad beschritten werden. Die Sonderkommission, die unter der Leitung von Marlies Mittermann stand, tappte im Dunkeln und konnte nur mehr oder minder hilflos herumstochern und auf einen Zufallstreffer hoffen.
Dass es dann doch alles anders kommt, ist eine der Stärken des Buchs. Das Ende bricht mit den üblichen Krimi-Konventionen und bleibt dem Genre dennoch treu. Der Spannungsbogen bleibt das Buch über erhalten, erreicht aber nicht die Höhen eines Thrillers oder gar Psychothrillers. Das passt bestens zu einem Krimi.
Leider ist das Ende auch gleichzeitig die einzige Stelle im Buch, in der es etwas unglaubwürdig wird. Die Handlungen und Aktionen der Charaktere bleiben im Buch immer nachvollziehbar, aber hier kann man sich schon fragen, warum Marlies sich sehenden Auges derart in Gefahr bringt.
Neben der Haupthandlung gibt es die beinah schon für einen Krimi üblichen privaten Probleme einer Polizeibeamtin, die sich in einer Nebenhandlung abspielen. In diesem Buch streifen sie aber des öfteren die Haupthandlung, weil Marlies Ehemann Helmut nicht nur ihr Kollege ist, sondern auch zusätzlich in der gleichen Abteilung wie sie arbeitet. Zu allem Überfluss wird Helmut dieser Fall entzogen und Marlies übertragen. Private Spannungen sind hier vorprogrammiert.
Den Schreibstil fand ich recht angenehm. Manchmal wurde ich zwar von dem ein oder anderen Sprung in der Handlung überrascht, aber es war eine angenehme Überraschung. Ich finde es gut, wenn nicht immer alles haarklein beschrieben wird, sondern dem Kopf des Lesers, der ein oder andere Fantasiespielraum gegeben wird.
“Österreichisch”
Ein Krimi aus Österreich. Das heißt auch, dass man mit Redewendungen konfrontiert wird, die es in Deutschland nicht gibt. Ich finde es immer wieder spannend, über solche Sätze zu stolpern. Und ich habe dann tatsächlich auch den Ehrgeiz, deren Bedeutung zu ergoogeln, wenn die Wörter nicht im Glossar erklärt werden oder der Sinn nicht so eindeutig ist, wie eine “verparkte” (zugeparkte) Einfahrt. Folgender Satz enthält zum Beispiel eine typisch österreichische Redewendung, die auch in Teilen Bayerns üblich sein soll.
“Aber wenn Dir das nicht ausgeht, vielleicht hast Du am fünfundzwanzigsten Zeit?” (Pos. 545)
Im (hoch)deutschen würde man diesen Satz so formulieren:
“Wenn es Dir passt, vielleicht hast Du am fünfundzwanzigsten Zeit?”
Eindeutiger ist diese Satzstellung: “Soll ich die Kieberer [Polizisten, wird im Glossar erläutert] rot ankreuzen, oder kennt ihr sie auch so heraus?” (Pos. 813)
Leser dieses Krimis sollten auf jeden Fall des “österreichischen Deutschs” nicht abgeneigt sein, denn es finden sich zwangsläufig immer wieder Satzkonstrukte, die im Hochdeutschen nicht anzutreffen sind. Es bleibt anzumerken, dass das Glossar vielleicht etwas umfangreicher als zwei Einträge hätte sein können. Dass z.B. eine Ribisel eine Johannisbeere ist, musste ich nachschlagen.
Fazit
Ein Krimi, der den üblichen Konventionen des Genres folgt und dennoch überrascht. Das erhält der Leser mit diesem Buch, das ich jedem Krimifreund ruhigen Gewissens empfehlen kann.
Titel: Das fünfte Opfer
Autor: Wagner, Bettina
Genre: Krimi
Bewertung: ✦✦✦✦✧
Der Büchernarr schreibt hauptsächlich über Bücher aus den Genres Fantasy und Horror. Manchmal schleichen sich Bücher anderer Genres in diesen Buchblog ein, so dass hier auch Biografien, historische Romane oder Kinderbücher zu finden sind.