Der Fährmann (Werbelink) bringt die Toten für einen kleinen Obolus über den Totenfluss Styx ins Totenreich bzw. zum Eingang des Hades. Soweit die griechische Mythologie.
Aber was passiert, wenn es sich dabei nicht um einen Mythos handelt? Was, wenn der Fährmann Realität wird und seine Finger in die hiesigen Gefilde ausstreckt? Was, wenn die Grenze zur Realität verschwimmt?
Genau das geschieht in diesem Buch, das allein schon deshalb Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, weil Olaf Buchheim von diesem Titel derart begeistert war (und ist), dass er kurzerhand es aus dem Amerikanischen hat übersetzen lassen und einen eigenen Verlag gegründet hat, um es dem deutschen Leser näher zu bringen.
Ins Totenreich
Wenn schon der Fährmann Protagonist in einem Buch ist, dann dürfen die Toten nicht fehlen. So beginnt dann das Buch auch mit dem Tod und begleitet den Leser durch alle Zeilen.
Es ist Janine, die mit dem Tod konfrontiert wird und der sie fortan nicht loszulassen scheint. Zusammen mit ihrem Lehrerkollegen David erfahren sie absonderliche Situationen, in denen sich nicht nur die beiden Figuren fragen, was nun Traum ist und was Realität.
Diese Grenze verschwimmt zusehends und erzeugt vor allem zu Beginn eine gruselige Stimmung.
Mehr Grusel als Horror
Das Buch wird als intelligenter Horror beworben. Und so findet sich zwar die ein oder andere Darstellung von Gewalt in diesem Buch, aber der Fokus liegt eindeutig im subtilen Grusel. Somit ist das Buch auch für Zartbesaitete geeignet, die sich vom Horrorgenre für gewöhnlich fern halten.
Der angenehme Schreibstil sorgt ebenfalls für ein Lesevergnüngen. Wird in vielen Büchern des Genres gern auf eine simple und einfältige Sprache zurückgegriffen, so ist der Stil in diesem Buch ein deutlich gehobener. Nicht zuletzt sorgt die bildliche Darstellung der Ereignisse für ein angenehmes Kopfkino, ohne dass Golden in eine allzu blumige Umschreibung verfällt.
Philosophie vs. Horror
Der Hintergrund des Buchs ist dann auch deutlich tiefgründiger als es für ein Horrorbuch üblich ist. Zuweilen kann sich der Leser sogar mit philosophischen Elementen ausgesetzt sehen, so er sich denn darauf einlassen möchte. Dazu passend sind die Charaktere durch die Reihe sehr authentisch gezeichnet und fügen sich sehr gut in die Geschichte ein.
Als kleiner Wermutstropfen bleibt allerdings hin und wieder die Spannung auf der Strecke, so dass der Spannungsbogen nicht durchgehend oben bleibt. Vor allem zum Ende hin verschwinden die gruseligen Elemente zusehends und die Geschichte mutiert zu einem vorhersehbaren Actionplot. Der allerdings immer noch gut geschrieben ist. Aber für mein Gefühl hätten der Geschichte gerade an dieser Stelle die ein oder andere Wendung gut getan.
Illustrationen
Das Buch fällt mit seinem besonderen Cover auf. Dieses Cover entstammt der Feder von John Howe, der auch schon an der bildlichen Umsetzung von Tolkiens Werken mitgewirkt hat.
Als Besonderheit finden sich auch im Buch einige Illustrationen, im Stil wie sie hier im Blog zu sehen sind, die meiner Meinung nach qualitativ stark schwanken. Einige finde ich richtig klasse, manche eher nur “so lala”.
Unabhängig davon stellen die Illustrationen in meinen Augen kein alleinigen Kaufgrund dar, sondern sind lediglich ein besonderes Schmankerl, an dem sich das Auge vergnügen kann. Immerhin handelt es sich hierbei nicht um ein Graphic Novel, wie z.B. “Der dunkle Turm” von Stephen King.
Fazit
Nein, aus diesem Buch trieft kein literarisches Blut und der Tod wütet auch nicht durch die Menschen. Dieses Buch ist anders und möchte dies schon mit seinem außergewöhnlichen Cover zeigen. Anders zu sein, schafft dieses Buch, aber wahre Begeisterungsstürme kann es zumindest bei mir nicht erzeugen.
Keine Frage, es handelt sich um eine gut erzählte Geschichte, die eher einen leichten Grusel beim Leser auszulösen vermag. Die Spannungskurve steigt gerade am Anfang motivierend an, fällt aber leider zum Ende hin ab. Dennoch kann ich dieses Buch jedem interessierten Leser empfehlen, wobei sich nicht nur Freunde des Horrors angesprochen fühlen dürfen, sondern auch Lesern, die dem Horror-Genre für gewöhnlich nicht zugeneigt sind.
Titel: Der Fährmann
Autor: Golden, Christopher
Genre: Horror
Verlag: Buchheim Verlag
Bewertung: ★★★★☆
Ein Amazon “Blick ins Buch” ist derzeit nicht verfügbar. Dafür kann auf der Verlagshomepage eine Leseprobe heruntergeladen werden.
Der Büchernarr schreibt hauptsächlich über Bücher aus den Genres Fantasy und Horror. Manchmal schleichen sich Bücher anderer Genres in diesen Buchblog ein, so dass hier auch Biografien, historische Romane oder Kinderbücher zu finden sind.
Hallo Frank,
danke für den Besuch meines Blogs und für deinen Beitrag. Du hast sicherlich recht, wenn du sagst, dass es sich bei diesem Buch nicht um eine klassische Horrorgeschichte handelt, sie jedoch Tiefgang hat und auch der eine oder andere philosophische Aspekt in die Geschichte mit hineinspielt. Ich denke mein Hauptproblem war einfach, dass ich mit völlig anderen Erwartungen an das Buch herangegangen bin. Ich bin jetzt kein Leser, der möglichst viel Blut und Leichen in einer Horrorgeschichte braucht. Guter Horror kommt auch ohne das alles aus und kann sehr subtil sein. Stephen King zeigt das immer wieder, indem er eine beklemmende Atmosphäre aufbaut und sich der Horror zum Großteil im Kopf der Leser abspielt, selbst, wenn er nicht konkret ausformuliert wurde. Das habe ich ein wenig vermisst, diese Spannung, dass gleich etwas Schlimmes passieren würde. Hin und wieder ist das im Buch auch angeklungen (man denke nur an die Babyschreie und die dunkle Scheune, die Mrs. Vale…), aber leider wuden solche spannenden Momente allzu schnell wieder beendet. Das war wohl der Hauptgrund, warum mich das Buch enttäuscht hat. Horror, wie es auf dem Buchrücken steht, ist daher wohl auch der falsche Begriffe. Es ist eher ein Thriller mit mystischen/mythologischen/fantastischen Elementen, der zwar Spannung erzeugen kann, mich aber nicht unter die Bettdecke zwingt. 🙂
Viele Grüße
Jay (von Bücher wie Sterne)
Charon
Der Fährmann in der griechischen Mythologie heißt Charon (altgriechisch Χάρων Chárōn, Kurzform zu χαροπός charopós = deutsch -> ‚mit funkelnden Augen‘). Die Eltern des Charon heißen Nyx (Nacht) und Erebos (Finsternis). Wie sieht dieser Fährmann aus? Finster und grämlich sieht Charon aus, bekleidet ist er mit einem dunklen Schifferkittel ->
https://www.mythologie-antike.com/t164-charon-mythologie-sohn-des-erebos-und-der-nyx-fahrmann-der-die-toten-zum-eingang-in-den-hades-rudert