»In diesem Buch geht es um unmögliche und wundersame Ereignisse, die sich nie zugetragen haben, inmitten von unmöglichen und undenkbaren Ereignissen, die allesamt wahr sind.«
Mit diesen Worten beginnt Neal Schustermann das Vorwort zu dieser Graphic Novel und beschreibt m.E. ganz gut, was den Leser und die Leserin erwartet. Eine Mischung aus historischem Wissen und jüdischer Folklore. Und dem Gedankenspiel nach dem Motto, was wäre wenn …
Es sind fünf ganz unterschiedliche und voneinander unabhängige Geschichten, die in dieser Graphic Novel zu einer »Anthologie« zusammengefasst wurden, die eine gleiche Thematik verbindet: Die Terrorherrschaft der Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkriegs. Neal Schustermann scheint gefallen an dem Spruch zu haben, dass wenn Gott eine Türe schließt, er gleichzeitig ein Fenster öffnet. Das ist Thema der ersten Geschichte, in der ein Fenster mal ein Fenster ist und mal ein Portal in eine andere Welt.
In der zweiten Geschichte werden die Konzentrationslager gezeigt, die in Verbindung mit einem Superhelden (ein Golem) im einem Gedankenexperiment anders ausschauen. Was wäre passiert, wenn mehr Menschen die Flucht gelungen wäre. Ebenfalls in Richtung Superheld geht die Erzählung, in der eine extrem mächtige Hexe namens Baba Jaga in das Geschehen eingreift. Oder was wäre, wenn der Moses Stab bis zur damaligen (oder heutigen) Zeit überdauert hätte? Da hätte man mit Gottes Kraft eingreifen können. Wie auch in der letzten Geschichte, in der mittels eines Artefakts die Zeitebene manipuliert werden kann, was aber das scheinbar unvermeidliche nicht verhindern kann.
Am Ende einer jeden Geschichte zeigt der Autor, was in der Realität passierte. In der ersten Geschichte mit den Fenstern zeigt er Menschen, die Juden in ihren Häusern versteckt haben (das bekannteste natürlich das Anne Frank Haus). Nach der zweiten Geschichte mit dem Golem zeigt er, welche Ausbruchsversuche es in den Lagern und Ghettos gab. Die Geschichte rund um die Hexe Baba Jaga nimmt der Autor zum Anlass, ein paar Fabelwesen aus der jüdischen und osteuropäischen Mythologie vorzustellen und zeigt anschließend einige Fakten zu den Widerstandskämpfern im dritten Reich. Die Geschichte, in der Moses Stab eine entscheidende Rolle spielt, nimmt der Autor, um über eine Rettungsaktion der Dänen aufmerksam zu machen, bei der sehr viele Menschen jüdischen Glaubens gerettet bzw. vor dem Tod bewahrt wurden.
Fazit
Es ist dem Autor ein Anliegen, ein Buch verfasst zu haben, das sich gegen die Holocaust-Leugner stellt. Grundsätzlich gefällt mir die Idee, mit der er historisches Wissen mit der Sagenwelt kombiniert. Es ist ein Gedankenexperiment, das aber keine Antwort darauf geben kann, weshalb Gott nicht in der Realität eingegriffen hat. Das macht die Graphic Novel am Ende doch etwas schwierig. Ich finde jegliches Material gut, das sich gegen das Leugnen historischer Tatsachen stemmt, auch wenn ein paar wesentliche Fragen offenbleiben.
AchtungDieses Buch enthält explizite Darstellungen von Gewalt und dem Terror des dritten Reichs. Bevor diese Graphic Novel einem Kind in die Hand gedrückt wird, muss ein Erwachsener vorher das Buch lesen und individuell entscheiden.
Titel: Fenster in der Nacht: Geschichten der Hoffnung
Autor: Shusterman, Neal
Illustrator: Martínez, Andrés Vera
Genre: Fantasy
Seitenzahl: 256
Verlag: Loewe Verlag
Originaltitel: Courage to Dream, Tales of Hope in the Holocaust
Übersetzer: Alexandra Ernst
Herkunft: USA
Jahr: 2023 / 2024 (org./dt.)
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