[Kinderbuchklassiker] Vorstadtkrokodile

Es gehört zu den Klassikern der Kinderliteratur und zumin­dest in NRW bei­nah zur Pflichtlektüre der Schüler: Die Vorstadtkrokodile von Max von der Grün. Auch ich habe das Buch als Kind gele­sen, wobei sich mein Exemplar irgend­wann auf­ge­löst und nicht bis in die Jetztzeit geschafft hat. Ich habe es mehr als ein­mal gele­sen und habe das Prinzip des “ReReads” schon als Kind prak­ti­ziert. Damals in den 80ern konn­te mich die Geschichte der Krokodiler sehr fes­seln.

Jetzt, vie­le Jahre spä­ter, wirkt das Buch voll­kom­men anders auf mich. Was wenig über­ra­schend sein dürf­te. Der Wiedererkennungswert ist enorm, selbst vor dem Hintergrund, dass ich das Buch so lan­ge nicht mehr in den Händen gehal­ten habe. Schon die ers­ten Zeilen ver­sprü­hen den wenig ein­la­den­den Charme der 70er – allein wie die Kinder unter­ein­an­der und die Eltern bzw. die Erwachsenen mit ihren Kindern kom­mu­ni­ziert haben.

Die Sprache des Buchs ist zwar sehr ein­fach gehal­ten, aber durch­setzt mit alten Sprachweisen und Ausdrücken oder ein­fach nur Örtlichkeiten, die es nicht mehr gibt (wer kennt noch den COOP?). Stilistisch aber sehr pas­send zum Flair des Ruhrpotts, wie es ihn heu­te eben­falls nicht mehr gibt. Verständlich bleibt das Buch den­noch und die Botschaft hat auch heu­te noch Bestand.

Vor allem für die Zielgruppe der Kinder ab einem Alter von zir­ka zehn Jahren bie­tet es einen guten Mix aus Detektivgeschichte im sozi­al-pro­ble­ma­ti­schen Rahmen. Denn nicht nur der Umgang mit dem quer­schnitts­ge­lähm­ten Kurt wird the­ma­ti­siert, son­dern auch die Lebensweise und Lebensverhältnisse der sozia­len Schicht, die gern als “Arbeiterklasse” abge­wer­tet wur­de. Aber auch der vor­ur­teils­be­haf­te­te Umgang mit Ausländern und Zugezogenen wird the­ma­ti­siert und ist auch (wenn auch in einer etwas ande­ren Form) heu­te noch aktu­ell.

Das Buch wur­de in der Vergangenheit in unter­schied­li­chen Verlagen ver­öf­fent­licht. Mittlerweile wird es bei cbj Kinderbuch ver­legt. Sprachlich wur­de es nicht über­ar­bei­tet und an die heu­ti­ge Zeit ange­passt. Auf den Verlagsseiten fin­den sich auch Unterrichtsmaterialen für Lehrer und Schüler, die evtl. auch für den inter­es­sier­ten Büchernarren infor­ma­tiv sind.

cover vorstadtkrokodile

Titel: Vorstadtkrokodile: Eine Geschichte vom Aufpassen
Autor: von der Grün, Max
Genre: Kinderbuch
Seitenzahl: 160
Verlag: cbj Verlag

5/5

Herkunft: Deutschland
Jahr: 1976

Die Vorstadtkrokodile-Reihe

Wer sich das Buch auf der Website des cbj Verlags anschaut, wird fest­stel­len, dass es als ers­ter Teil der “Die Vorstadtkrokodile-Reihe” gelis­tet wird. Ein in mei­nen Augen sehr irre­füh­ren­des Marketing.

Wer näm­lich dem Link folgt, wird sehen, dass die Teile 2 und 3 wenig mit dem Teil 1 gemein haben, denn die­se bei­den Bücher sind die Bücher zu den Filmen. Diese wei­chen aber erheb­lich vom Original ab, so dass ich es viel bes­ser gefun­den hät­te, wenn das Original von Max von der Grün als eigen­stän­di­ges Buch behal­ten und statt­des­sen auch ein Buch zum Film vom ers­ten Teil ver­öf­fent­licht wor­den wäre, das dann den Platz des ers­ten Teils die­ser Reihe ein­ge­nom­men hät­te.

Mittlerweile wur­den die Cover der bei­den Folgebände ange­passt und es ist mit kei­nem Wort erwähnt, dass es sich um die Bücher zu den Filmen han­delt. Erst im Buch erfährt der Leser, dass die Bücher nach dem Drehbuch von Neil Ennever und Christian Ditter bzw. nur letz­te­rem für den drit­ten Teil geschrie­ben wur­den.

Sprachlich unter­schei­den sich die Bücher durch die­se Form erheb­lich, denn sie beschrei­ben das, was in den Filmen zu sehen ist. Eine für ein Buch zum Film sehr typi­scher Erzählstil, der aber mei­ner Meinung nach wenig anspre­chend ist und bes­ten­falls Fans der Filme anspricht. Mit dem Qualitätsanspruchs des ers­ten Teils kön­nen die­se Bücher in keins­ter Weise mit­hal­ten.

Es besteht in jeg­li­cher Hinsicht ein him­mel­wei­ter Unterschied zwi­schen Band 1 und den ande­ren bei­den Bänden.

Die Verfilmungen

Es mag aus heu­ti­ger Sicht etwas unver­ständ­lich sein, aber die Verfilmung aus dem Jahre 1977 hat­te sehr lan­ge einen glei­chen Kultstatus inne wie das Buch. Wer auf Youtube nach “Vorstadtkrokodile 1977” sucht, wird das Original fin­den, denn in ande­ren Mediatheken ist der Film nicht mehr zu fin­den. Hin und wie­der fin­det sich die DVD des Films bei ebay und ähn­li­chen Plattformen zum Verkauf.

Dass ein Buch, dass 1976 ver­öf­fent­licht wur­de, schon im nächs­ten Jahr ver­filmt wird, mag für sich schon recht unge­wöhn­lich sein. Wer sich den Film heu­te anschaut, wird mit Sicherheit ein wenig abge­schreckt. Es ist aber durch und durch typi­cher Film sei­ner Zeit. Im Großen und Ganzen bleibt der Film der Vorlage treu, ändert aber hier und da Kleinigkeiten, um dem Medium etwas gerech­ter zu wer­den.

Es ist mitt­ler­wei­le 12 Jahre her, dass das Remake des Films in die Kinos kam und sehr gehypt wur­de. Für die­sen Film wur­de mas­siv von der Vorlage abge­wi­chen, um ihn an den dama­li­gen Zeitgeist anzu­pas­sen. Ein Unternehmen, das durch und durch gelun­gen ist. Der Film kam sehr modern daher und ist auch heu­te noch sehens­wert. Der anspre­chen­de Genremix des Autors Max von der Grün wur­de gut adap­tiert und ein­ge­fan­gen.

Es half dem Film sicher­lich, dass das Original einen Kultstatus inne­hat­te, das Marketing mas­siv durch die Medien gehäm­mert wur­de und dass zahl­rei­che Kinderstars die Rollen über­nom­men haben (in der Verfilmung von 1977 gab es kaum Kinderschauspieler, so dass alle Laiendarsteller waren).

Aber schon mit dem zwei­ten Teil der Vorstadtkrokodile änder­te sich eini­ges. Es ist allen Darstellern deut­lich anzu­mer­ken, wie sie sich in die­sem einen Jahr ver­än­dert haben (der Film wur­de ein Jahr spä­ter, also 2010 ver­öf­fent­licht). Das Kindliche ist voll­stän­dig ver­lo­ren gegan­gen und die Darsteller strah­len nicht mehr die­se kind­li­che Unbeschwertheit aus, mit der sie die Welt ent­de­cken. Sie wir­ken viel erns­ter und jugend­li­cher. Aber immer­hin steht im zwei­ten Teil noch immer die Gruppe im Vordergrund.

Dies ändert sich im drit­ten Teil, der deut­lich inten­si­ver auf die bei­den Hauptdarsteller zuge­schnit­ten wur­de. Die Gruppe und die Gruppendynamik wird voll­stän­dig in den Hintergrund gerückt, wodurch die­ser Film über­haupt nicht mehr den Flair der Vorstadtkrokodile inne­hat, son­dern nur von der Beliebtheit der Darsteller lebt. Es ist zwar wei­ter­hin ein pas­sa­bler Kinder- bzw. Jugendfilm, der aber mit einer etwas hane­bü­che­nen Geschichte daher­kommt.

Dass der Hype wie­der auf­lebt, dürf­te sehr zwei­fel­haft sein. Denn in der Abschlussszene heißt es sehr tref­fend: “Die Zeit der Kinderbanden ist vor­bei”. Zudem zeigt das Beispiel der “Wilden Kerle”, dass es wenig erfolg­reich ist, mit altern­den Kinder- und Jugendstars zu dre­hen, die nicht mehr die Zielgruppe ver­kör­pern.

Mittlerweile sind die Schauspieler (zumin­dest jene, die der Schauspielerei treu geblie­ben sind) den Kinderschuhen in Gänze ent­wach­sen und spie­len ent­spre­chen­den in ganz ande­ren Rollen und haben sich teils sehr mas­siv gewan­delt. Ich den­ke nicht, dass es ein Vorstadtkrokodile 4 geben wird oder dass sich ein ande­rer Regisseur an einem erneu­ten Remake her­an­wagt.

Schon die Cover der drei Filme zeu­gen von dem Entwicklungssprung der Darsteller. Derzeit sind alle drei Filme bei prime video zu sehen.

3 Kommentare

  1. Ach, die Vorstadtkrokodile .…
    Auch wenn mei­ne Jugend schon sehr lan­ge her ist, habe ich den Film nicht ver­ges­sen. Ich glau­be, der war so ziem­lich in jedem Jahr im Sommerferien-Fernsehprogramm, das aus­nahms­wei­se schon nach­mit­tags Filme zeig­te (als ich jung war *räus­per* wur­de noch nicht rund um die Uhr gesen­det). Das Buch habe ich aller­dings nie gele­sen. Schade, dass es damals in Bayern kei­ne Schul-Lektüre war. Ich hab mir das gleich mal in der Onleihe vor­ge­merkt. Vielen Dank für’s in Erinnerung rufen!
    Liebe Grüße
    Gabi

    1. Hallo Gabi,
      defi­ni­tiv kom­men da vie­le Erinnerungen hoch – das Buch ist natür­lich als Kinderbuch geschrie­ben, aber es hat bei mir gleich­falls vie­le Erinnerungen geweckt. Hin und wie­der macht es durch­aus Spaß sich an die “gute alte Zeit” zu erin­nern. 😉
      Viele Grüße
      Frank

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