Manchmal wird der Eindruck suggeriert, dass durch den Einsatz von Gendersternchen in der deutschen Sprache, der Gleichstellung der Frau in der Gesellschaft genüge getan wurde. Wie wenig dies der Wahrheit entspricht, zeigt der Blick in die Branche der Architekten. In dieser Männerdomäne haben es Frauen bis heute sehr schwer, Fuß zu fassen und mit ihren Werken sichtbar zu werden.
Die Kunsthistorikerin Ursula Schwitalla offenbart diesen Missstand mit ihrem Buch „Frauen in der Architektur“ und möchte den ersten Mosaikstein legen, um die Frauen in dieser Branche sichtbar zu machen. Dafür wirft die Herausgeberin und Autorin einen Blick in die Vergangenheit und zeigt, wie und wann Frauen in der Geschichte der Architektur auftauchten. Anschließend werden vier bekannte Architektinnen (Emilie Winkelmann, Eileen Gray, Lina Bo Bardi und Zaha Hadid) mit ihren Werken vorgestellt und gezeigt, mit welchen Vorurteilen sie zu kämpfen hatten und wie sehr sie unter dem Scheffel der Männer standen.
Wie es um die Frauen in der heutigen Architekturwelt steht, zeigt Schwitalla recht ausführlich in einem eigenen Abschnitt und zeigt Missstände, die bis heute Bestand haben. Sehr interessant an dieser Stelle ist der Blick auf die verschiedenen gesellschaftlichen Strukturen, die eine Diskriminierung der Frauen bis heute begünstigen, in dem z.B. nicht dem Architekten-Team für eine Arbeit gewürdigt wird, sondern lediglich dem meist männliche Chef und der Kult um Stararchitekten dies begünstigt. Da hilft auch kein Gendersternchen.
Ein andere Missstand, der alle Berufsstände betrifft, greift natürlich auch bei den Architekten, dass nämlich die Gründung einer Familie der Karriere entgegenspricht. Was im übrigen auch für Männer gilt, die (zu lange) in Elternzeit gehen. Wie diesem Patriachat der Chefetagen entgegengewirkt wird, zeigt der im Buch folgende Blick auf 36 Architektinnen, die mit ihren Hauptwerken vorgestellt werden. (Es handelt sich um Mona Bayr, Odile Decq, Elke Delugan-Meissl, Julie Eizenberg, Manuelle Gautrand, Annette Gigon, Silvia Gmür, Cristina Guedes, Melkan Gürsel, Itsuko Hasegawa, Anna Heringer, Fabienne Hoelzel, Helle Juul, Karla Kowalski, Anupama Kundoo, Anne Lacaton, Regine Leibinger, Lu Wenyu, Dorte Mandrup, Rozana Montiel, Kathrin Moore, Farshid Moussavi, Carme Pinós, Nili Portugali, Paula Santos, Kazuyo Sejima, Annabelle Selldorf, Pavitra Sriprakash, Siv Helene Stangeland, Brigitte Sunder-Plassmann, Lene Tranberg, Billie Tsien, Elisa Valero, Natalie de Vries, Andrea Wandel und Helena Weber).
Fazit
Ich bin zwar nicht vom Fach, erfreue mich aber an einer besonderen Architektur, in dem ich sie gerne fotografiere. Ich gebe zu, dass ich mir bisher wenig Gedanken darüber gemacht habe, welche Köpfe hinter den Gebäuden stehen und schon gar nicht welches Geschlecht sie haben. Mit diesem Buch erreicht die Kunsthistorikerin Ursula Schwitalla sehr gut, dass die Architektur der weiblichen Künstler sichtbarer wird und zeigt Missstände auf, die nicht nur für Architektinnen gilt, sondern noch tief in unserer Gesellschaft verankert sind.
Ein kleiner Hinweis: Auch wenn bei Amazon angezeigt wird, dass das Buch in englisch verfasst ist, so ist es durchgängig auf deutsch geschrieben. Es gibt alternativ auch eine englische Version.
Titel: Frauen in der Architektur: Rückblicke, Positionen, Aussichten
Hrgs.: Schwitalla, Ursula
Genre: Kunstbuch
Seitenzahl: 216
Verlag: Hatje Cantz Verlag
Herkunft: Deutschland
Jahr: 2020
Mehr zum Buch inklusive einiger Blicke in selbiges findet sich auf den Seiten des Hatje Cantz Verlags.
Das Team von Westart hat einen kleinen Beitrag zu dem Buch erstellt, den ich hier leider nur verlinken, aber nicht einbinden kann. Das Video ist auch nur bis zum 20.03.22 in der ARD Mediathek verfügbar.
Dieses Buch wurde mir über die Plattform Netgalley als E-Book zur Verfügung gestellt. NetGalley gibt keinerlei Vorgaben über die Art und Weise, wie Bücher bewertet oder vorgestellt werden. Mehr Infos dazu auf der Seite “Über diesen Blog“.
Die Verweise zu Amazon sind mit Affiliate-Links versehen. Das heißt, dass mit einem Kauf über einen dieser Links, ich von Amazon eine kleine Provision erhalte. Auf den Preis hat das keine Auswirkung.
Der Büchernarr schreibt hauptsächlich über Bücher aus den Genres Fantasy und Horror. Manchmal schleichen sich Bücher anderer Genres in diesen Buchblog ein, so dass hier auch Biografien, historische Romane oder Kinderbücher zu finden sind.