[Meinung] Fair Lesen – Schreiben ist nicht umsonst

fair lesen

Eine Gemeinschaft von Autorinnen, Autoren, Urheberverbänden, Verlagen und Buchhandlungen hat sich zur Initiative Fair Lesen zusam­men­ge­schlos­sen und setzt sich für “Vielfalt und Meinungsfreiheit in der Literatur und für das Fortbestehen eines funk­tio­nie­ren­den Marktes” ein. Huch, was ist denn da pas­siert?

Anfang des Jahres wur­de im Bundesrat vor­ge­schla­gen, dass Verlage dazu ver­pflich­tet wer­den sol­len, ihre Neuerscheinungen direkt zum Erscheinungstag den Bibliotheken zur Ausleihe zur Verfügung zu stel­len. Bisher gilt, dass Verlage selbst ent­schei­den kön­nen, wann ein Buch in einer Bibliothek anzu­tref­fen ist. Und bis­her hiel­ten die Verlage die Bücher ger­ne ein paar Monate zurück, um die ers­ten Wochen nach Veröffentlichung für sich zu gewin­nen.

Ich kann ehr­lich gesagt bei­de Seiten nicht ver­ste­hen. Warum for­dert der Bibliotheksverband eine direk­te Veröffentlichung als eBook? Was scha­det es den Bibliotheken, wenn ein Buch spä­ter in den vir­tu­el­len Regalen steht?

Auf der ande­ren Seite kann ich die Initiative nicht ver­ste­hen, die sich so anhört, als wür­de das Ende des Abendlandes bevor­ste­hen.

Wenn ich mir die Zahlen anschaue, so hört sich das zwar nach mäch­tig viel an, wenn die Onleihe wäh­rend der Pandemie einen Zuwachs von über 10% ver­zeich­nen kann. Aber wenn ich mir die Gesamtzahlen anschaue, so ist der eBook-Markt zwar ein wach­sen­der Markt, aber ein sehr lang­sam wach­sen­der. Noch immer düm­peln die eBooks bei einem Marktanteil von unter 6% her­um.

Wie bei der Musik?

Die Initiatoren ver­glei­chen den Buch- mit dem Musikmarkt, der sich bekannt­lich mas­siv gewan­delt hat und die Streaming-Dienste mitt­ler­wei­le die gro­ßen Gewinner sind. Ich fin­de aber, dass der Vergleich hinkt. Das Hören von Musik hat sich in der Tat total gewan­delt. Hat mei­ne Generation noch jeden Cent umge­dreht, um sich eine Langspielplatte kau­fen zu kön­nen, so hört die heu­ti­ge Jugend Musik quer­beet durch alle Genres und ken­nen nicht sel­ten weder Band noch Titel. Hat mei­ne Generation noch vor dem Radio gehan­gen und der Lieblingssendung gelauscht (und dabei viel­leicht sogar ver­sucht, pas­sen­de Titel auf eine Kassette zu ban­nen), so wird heu­te flei­ßig gestreamt. Mit der Folge, dass deut­lich weni­ger Geld bei den Plattenfirmen und somit bei den Künstlern ankommt.

Das wird mit Büchern ganz sicher so nicht funk­tio­nie­ren.

Da kann die Onleihe noch so einen Zuwachs fei­ern, eBooks blei­ben auch wei­ter­hin eine Randerscheinung. Und das wird sich auch nur schwer ändern, denn vie­le Leser möch­ten zwin­gend ein Buch in der Hand hal­ten. Und wäh­rend sich ein Musiktitel mehr oder min­der gleich anhört, ob er nun von CD kommt oder gestreamt wird (ja ihr Musikenthusiasten, die meis­ten Menschen hören kei­nen Unterschied), so ist das bei Büchern etwas grund­le­gend ande­res. Es besteht ein him­mel­wei­ter Unterschied zwi­schen einem gedruck­ten Buch und einem eBook. Es besteht ja sogar ein gro­ßer Unterscheid zwi­schen einem Hardcover und Taschenbuch.

Ja, es wer­den zwar auch heu­te noch eBooks ille­gal getauscht, aber einen so gro­ßen Zuspruch wie damals bei Napster gab und gibt es nicht. Nicht umsonst ver­kau­fen mitt­ler­wei­le vie­le Online-Shops ihre eBooks ohne har­ten Kopierschutz, damit die eBooks auf allen Endgeräten gele­sen wer­den kön­nen.

Kompromiss?

Selbst wenn neue Bücher auch zur Veröffentlichung in Bibliotheken anzu­tref­fen sind, so wird das sicher nicht bedeu­ten, dass die Umsätze der Verlage mas­siv zurück­ge­hen und die Autoren deut­lich weni­ger ver­die­nen. Und über­haupt, wie­so kann kein Kompromiss gefun­den wer­den? Wieso kann die Anzahl der aus­zu­lei­hen­den eBooks nicht fest­ge­legt wer­den (viel­leicht auf maxi­mal 10 oder 20 Stück) und war­um kann nicht als Kompromiss ein Zeitraum von z.B. vier oder sechs Wochen gewählt wer­den, nach­dem die Bücher nach der Veröffentlichung aus­ge­lie­hen wer­den kön­nen? Warum gesteht man den Verlagen nicht zu, dass ca. 10% oder 20% ihrer Neuveröffentlichungen spä­ter als eBooks aus­zu­lei­hen sind, um von den Bestsellern den maxi­ma­len Gewinn zu erzie­len? Es gäbe sicher­lich Wege und Mittel, hier ver­nünf­tig zu ver­mit­teln, so dass bei­de Seiten zufrie­den­ge­stellt sind, denn es gibt ja auch vie­le Leser, die z.B. auf die Taschenbuch-Version eines Buchs war­ten. Warum soll das nicht auch für eBooks gel­ten?

Übrigens: Wer in die Welt der Selfpublisher blickt, weiß wie hart umkämpft der Buchmarkt mitt­ler­wei­le ist. Sehr oft hat das mit Fairness nichts mehr zu tun. Auf der ande­ren Seite wer­den Hinz und Kunz dazu ani­miert, end­lich ihr Buch zu schrei­ben (das kei­ne lesen möch­te). Aber es geht ja nicht dar­um, wie fair grund­sätz­lich der Buchmarkt ist, nicht wahr?

So oder so bin ich aber davon über­zeugt, dass es nicht zu einem spür­ba­rem Wachstum bei den eBooks kom­men wird, wenn die Onleihe die eBooks etwas eher erhält. Auf der ande­ren Seite haben die Bibliotheken die sehr wich­ti­ge Aufgabe, auch sozi­al schwa­chen Menschen, den Zugang zur Literatur zu ermög­li­chen. Die Verantwortlichen soll­ten ihr Schwarz-Weiß-Denken able­gen und mal mit­ein­an­der reden. Vielleicht wird es auf der kom­men­den Buchmesse in Frankfurt Gelegenheit dazu geben.

Mehr Infos zur Initiative fin­det sich auf der Webseite https://www.initiative-fair-lesen.de/

4 Kommentare

  1. Hi Frank!

    Vielen Dank für dei­nen Einblick! Ich hab das gan­ze – wie­der mal – nur so am Rande mit­be­kom­men und gar nicht ver­stan­den zuerst, wor­um es über­haupt geht ^^

    Für mich ist es ehr­lich gesagt völ­lig ver­ständ­lich, dass Bibliotheken und Büchereien etwas spä­ter dran sind, was Neuerscheinungen betrifft. Vielleicht hat sich die­ses Denken für mich ein­fach so ein­ge­brannt…? Aber wenn ein neu­es Buch raus­kommt ist es für mich logisch, dass es erst­mal ver­kauft wer­den will und das “kos­ten­lo­se” aus­lei­hen viel­leicht erst eini­ge Wochen spä­ter mög­lich ist. Ich sehe da jetzt auch kei­nen Grund das zu ändern?
    Natürlich möch­te man sei­ne Lieblinge oft gleich lesen … aber wenn man sie sich nicht kau­fen kann/will, muss man sich halt etwas gedul­den. Die Bücher lau­fen ja nicht weg.

    Das mit den Ebooks wuss­te ich nicht, wobei ich den­ke, dass da der Zuwachs bald viel­leicht schon rasant anstei­gen wird wenn man von allen Seiten hört, dass das Papier knapp ist bzw. in Frage steht, ob und wie viel gedruckt wer­den kann.

    Deinen Beitrag hab ich heu­te wie­der ger­ne in mei­ner Stöberrunde ver­linkt 🙂

    Liebste Grüße, Aleshanee

    1. Hallo Aleshanee,
      das stimmt. Ich muss­te auch erst­mal suchen, was denn nun wirk­lich den Untergang des Abendlandes her­bei­füh­ren soll.

      Tatsächlich glau­be ich aber nicht, dass das eBook-Lesen ver­stärkt stei­gen wird, denn kein Verlag wird sei­nen poten­ti­el­len Bestseller zuerst als eBook ver­öf­fent­li­chen und erst dann als Hardcover. Zudem gibt es immer noch sehr, sehr vie­le Leser, denen das hap­ti­sche Erlebnis sehr viel Wert ist. Die wür­den nie auf ein eBook-Reader wech­seln. Selbst wenn Bücher wie­der auf Papyrus geschrie­ben wer­den.

      Natürlich gäbe es vie­le Kompromissmöglichkeiten. Aber Deutsche nei­gen in letz­ter Zeit dazu nur noch pola­ri­sie­rend zu den­ken. Entweder die eBooks wer­den ver­güns­tigt an die Sozialschwachen geben, ansons­ten wird das nie was mit Pisa oder dem­nächst gibt es kei­ne deut­schen Autoren mehr, weil alle am Hungertuch nagen. Dabei gäbe es sooo vie­le Zwischentöne und alter­na­ti­ve Wege …

      Schön, dass es wie­der was zum Stöbern gibt, aber das muss ich mir für spä­ter auf­he­ben. Vielen Dank auf jeden Fall fürs Verlinken.

      Einen schö­nen Wochenausklang und vie­le Grüße
      Frank

  2. Hallo Frank,

    ich bin über Aleshanees Stöberrunde auf die­nen Beitrag gesto­ßen.
    Ich gehö­re defi­ni­tiv zu den Lesern, die unbe­dingt ein Buch (am aller­liebs­ten Hardcover) in den Händen hal­ten muss. Ich schaue sowie­so schon viel zu viel auf Bildschirme, da muss das nicht auch noch beim Lesen sein. Und es geht auch nichts über ein bunt gefüll­tes Bücherregal, bei dem man sei­ne Schätze immer mal wie­der in die Hand neh­men und ein biss­chen blät­tern kann. Ein rein vir­tu­el­les Bücherregal kann ich ja nicht stän­dig anschau­en 🙂
    Aber für mich ist das auch mit Musik und Filmen so. Wenn mir ein Album oder Film sehr gut gefällt, dann möch­te ich das auch in mei­nem Regal ste­hen haben.

    Den Eindruck, dass der E‑Book-Markt stark wächst, habe ich auch nicht. Die aller­meis­ten, die ich ken­ne, lesen ger­ne “nor­ma­le” Bücher. Wie soll man denn auch in einer Buchhandlung stö­bern, wenn es nur noch Ebooks gibt. Und das machen noch wirk­lich vie­le, habe ich den Eindruck.

    Und dass man in Bibliotheken manch­mal ein biss­chen län­ger auf Neuerscheinungen war­ten muss, fin­de ich jetzt auch nicht schlimm. Wie Aleshanee gesagt hat, ver­schwin­den die Bücher ja nicht. Man liest sie nur ein­fach ein biss­chen spä­ter, als ande­re. Somit wäre ich da eher bei den Verlagen und fin­de, dass es völ­lig in Ordnung ist, wenn die­se erst ein­mal den Gewinn mit ver­kauf­ten Büchern maxi­mie­ren möch­ten. Trotz allem ist das eben ein Markt mit Wettbewerb und die Verlage leben auch nicht von Luft und guter Laune. Vor allem, wenn sie auch noch mit Videoplattformen wie YouTube, Netflix und Co kon­kur­rie­ren müs­sen. Ich glau­be, es lesen lan­ge nicht mehr so vie­le Menschen Bücher, wie frü­her.

    Danke für dei­nen infor­ma­ti­ven und inter­es­san­ten Beitrag 🙂

    Viele Grüße,
    Rebecca

    1. Hallo Rebecca,

      ja, wenn Aleshanees Stöberrunde nicht wäre, wür­de ich auch vie­les nicht mit­be­kom­men 😀 Ich den­ke auch, dass es noch sehr vie­le Leser gibt, denen die Haptik wich­tig ist und die zum Stöbern in Buchhandlungen gehen. Das dürf­te m.E. auch die über­wie­gen­de Mehrheit sein.

      Ich bin immer noch für den Kompromiss. Die Bibs müs­sen viel­leicht nicht 6 Monate war­ten, son­dern viel­leicht nur drei. Außerdem wird die Anzahl der mög­li­chen aus­ge­lie­he­nen eBooks gede­ckelt. Damit könn­ten bei­de Parteien zufrie­den sein.

      Ich bin auf jeden Fall gespannt, wie es am Ende aus­ge­hen wird. Dass dafür extra ein Gesetz erlas­sen wer­den muss, ist aber voll­kom­men over­do­ne.

      Viele Grüße und ein schö­nes Wochenende, das für Dich viel­leicht auch was län­ger ist.
      Frank

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