[Drama] Unsichtbar

Es beginnt mit einem Jungen, der im Krankenhaus liegt. Er hat­te irgend­ei­ne Art von Unfall. In recht abs­trak­ten Erzählungen bleibt die Handlung eine Weile im Krankenhaus, um eini­ge wesent­li­che Figuren des Romans ein­zu­füh­ren. Erst dann springt Handlung in der Zeit zurück. Zum Anfang allen Elends für eben jenen Jungen.

Es beginnt mit einer Kleinigkeit, die sein Leben voll­kom­men umkrem­peln soll­te. Und nach und nach ver­dich­tet sich das Szenario und der gemobb­te Junge wird zuneh­mend zur Zielscheibe. Aber Eloy Moreno bleibt nicht nur beim Opfer, son­dern wech­selt die Perspektiven, damit dem Leser näher­ge­bracht wer­den kann, was im Täter vor sich geht.

Angst, der Treibstoff, der Menschen wie MM auf Touren bringt. (bei 36% »MM« ist der Täter)

Im wei­te­ren Verlauf wird auch deut­lich, wes­halb er so han­delt.

[…] dabei hat er im Grunde nichts gegen ihn, er hat ihm nichts getan, aber er braucht die Schwäche eines ande­ren, um sei­ne eige­ne Stärke zu bewei­sen, […] (bei 54%)

Das Leiden des Jungen wird durch vie­le Kleinigkeiten ver­stärkt. Allen vor­an die unter­las­se­ne Hilfe durch sein Umfeld:

Außerdem hat er die ande­re Seite der Gewalt ent­deckt, die nie erwähnt wird: wenn Menschen zuse­hen und nichts tun. (bei 38%).

und die stum­men Hilferufe des Opfers: »Warum helft ihr mir nicht?, dach­te ich.« (bei 40%)

Mobbing kann aber noch dyna­mi­scher wer­den, denn die Mitschüler sind nicht nur pas­si­ve Beobachter, son­dern schlüp­fen nach und nach in eine akti­ve Rolle. Zusammen mit ihren Eltern und den Lehrern.

Ein Video, das nicht nur die Mitschüler des zukünf­tig unsicht­ba­ren Jungen zum Lachen bringt, son­dern auch vie­le Eltern, die es zu Hause sehen – mit ihren Kindern zusam­men – und sich beim Anblick des kopf­los her­um­ren­nen­den Jungen das Lachen nicht ver­knei­fen kön­nen … (bei 50%)

Es mag dem ein oder ande­ren unrea­lis­tisch vor­kom­men, dass selbst Lehrer und die Rektorin der Schule weg­schau­en, aber genau das macht die Authentizität die­ses Romans aus, denn genau so funk­tio­niert Mobbing an Schulen.

Der Autor ver­wen­det oft­mals eine sehr bild­li­che Sprache, die sehr pas­send Gefühle beschreibt, wie z.B. bei 15% des eBooks:

Als hät­te ich einen Igel ver­schluckt, der immer grö­ßer wird und durch mei­nen gan­zen Körper läuft, vom Kopf bis zu den Füßen.

Dadurch, dass der Unfall, mit dem der Roman beginnt, so geheim­nis­voll umschrie­ben ist, macht die Paarung mit dem ein­gän­gi­gen Schreibstil im Ergebnis einen sehr ein­dring­li­chen und fes­seln­den Roman. Wie gern wür­de man in das Buch rufen wol­len, dass dem Jungen doch bit­te gehol­fen wer­den muss.

Fazit

Dieser Jugendroman beschreibt Mobbing in einer Schule über­aus authen­tisch und emo­tio­nal. Der Leser erlebt die Anfänge des Prozesses und wie sich die­ser nach und nach durch vie­le, vie­le Kleinigkeiten ver­stärkt und eine ganz beson­de­re Dynamik ent­wi­ckelt. Und zwar nicht nur durch die akti­ven Täter, son­dern auch durch die pas­si­ven Zuschauer. Ein Roman, den ich jedem ans Herz legen kann.

Wenn ihr einen unsicht­ba­ren Mitmenschen ent­deckt, lasst ihn bit­te nicht unent­deckt. Denkt bit­te nicht so, wie es am Ende des Buchs her­aus­ge­schrie­ben wird: “SOLANGE ES MICH NICHT SELBST BETRIFFT, IST ES NICHT MEIN PROBLEM”. Gebt ihm das Gefühl #dubistNICHTunsichtbar!

unsichtbar

Titel: Unsichtbar: Eine berüh­ren­de Geschichte über Mobbing und ein ein­dring­li­ches Plädoyer hin­zu­se­hen und zu han­deln.
Autor: Moreno, Eloy
Genre: Jugendbuch / Drama
Seitenzahl: 336
Verlag: Fischer Sauerländer

5/5

Originaltitel: Invisible
Übersetzer: Ilse Layer
Herkunft: Spanien
Jahr: 2020 / 2023 (org./dt.)

Mich berühr­te die­ses Buch ins­be­son­de­re, denn ich kann mich an genau eine sol­che Situation erin­nern, in der ein Junge gemobbt und nach und nach von der Klassengemeinschaft aus­ge­schlos­sen wur­de. Es gab zwar noch kei­ne Handys oder sozia­le Netzwerke, aber das Mobben eines Mitschülers gab es schon. Alle in die­sem Buch beschrie­be­nen Mechanismen kamen mir bekannt vor, wes­halb es in mei­nen Augen über­aus authen­tisch war.

Wer per­sön­lich in einer Krise steckt (und dazu gehört auch Mobbing) und dar­über nach­denkt, sein Leben zu been­den, wen­de sich bit­te umge­hend an die Notfall-Seelsorge und Suizid-Prävention. Der Anruf ist kos­ten­frei und voll­kom­men anonym:

0800 111 0 111 (ev)
0800 111 0 222 (rk)
0800 111 0 333 (für Kinder und Jugendliche)

Noch mehr Informationen und Hilfsangebote für Betroffene fin­den sich im Internet unter suizidprophylaxe.de oder nummergegenkummer.de.

Dieses Buch wur­de mir über die Plattform Netgalley als E‑Book zur Verfügung gestellt. NetGalley gibt kei­ner­lei Vorgaben über die Art und Weise, wie Bücher bewer­tet oder vor­ge­stellt wer­den. Mehr Infos dazu auf der Seite “Über die­sen Blog”.

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