[Fantasy] Fairy Tale

Die ersten Sätze des Klappentextes lauten: „Der siebzehnjährige Charlie Reade hat kein leichtes Leben. Seine Mutter starb, als er drei war, und sein Vater ist dem Alkohol verfallen.“ Das umschreibt zirka die ersten 20% des Buchs. Beim nächsten Satz, der da lautet: „Eines Tages offenbart ihm der von allen gemiedene mysteriöse Nachbar auf dem Sterbebett ein Geheimnis, das Charlie schließlich auf eine abenteuerliche Reise in eine andere, fremde Welt führt.“, ist der Leser schon bei 40% des Buchs angelangt. Erstaunlich wäre es, wenn der Autor nicht Stephen King hieße. „Fairy Tale“ heißt sein neuester Roman und der Name ist hier Programm (Fairy Tale heißt übersetzt Märchen).

Wie immer verarbeitet Stephen King in seinen Büchern seine eigene Vergangenheit. Das sind bekanntlich der Alkoholismus, der zweite Weltkrieg und die Rolle der Deutschen aber auch bekanntere Ereignisse wie der gesellschaftliche Wandel in den USA. Auch finden sich immer wieder Bezüge zu anderen Büchern, die Stephen King sehr geschickt in seine Geschichten einwebt.

Wie meine Einleitung vermuten lässt, ist das Buch geprägt von Stephen Kings Erzählkunst, mit der er gerne viel und umfassend von den Welten erzählt, die der Leser in diesem Buch kennenlernen wird. In manchen Büchern übertreibt es King in meinen Augen derart, dass er vor lauter „Rundherum“-Erzählen den Hauptplot vergisst. Dies ist in diesem Buch überhaupt nicht der Fall. Auch wenn es recht lange dauert, bis unsere Hauptfigur die fremde Welt betritt, so ist Charlie doch dem Leser sehr vertraut und kann vielleicht bei dem ein oder anderen Sympathien erwecken.

Was ich von den einleitenden Stichpunkten zu Beginn eines jeden Kapitels halten soll, weiß ich noch nicht so recht. Einerseits spoilern diese den Inhalt des Kapitels, andererseits erhöhen sie die Spannung, weil ich wissen möchte, wie die jeweiligen Ereignisse dargestellt werden.

Stephen King kann durchaus sehr brutal und blutig einige Details beschreiben, weshalb dieses Buch in meinen Augen nicht für minderjährige oder zart besaitete Leser geeignet ist. Es steht zwar Märchen drauf und es ist auch ein Märchen drinnen, aber eben eines für Erwachsene.

Fazit

Mir hat Stephen Kings Ausflug in die Märchenwelt gefallen. Dieses Buch besticht mit der Erzählkunst des Autors, der es wieder geschafft hat, eine schöne Welt zu erschaffen. In diesem Buch sind zusätzlich sehr viele Bezüge zu anderen Büchern und Märchen enthalten, die sehr gut ins Gesamtbild passen und irgendwie auf ihre ganz eigene Art das Buch prägen. Zumindest für mich, der die Werke kennt.

Bezüge zu anderen Büchern:

Wenn ein Schriftsteller schon über Jahre hinweg sehr erfolgreich ist, dann darf er mit einem zwinkerndem Auge Bezüge zu seinen eigenen Büchern einbauen, wie z.B. zu Cujo:

Nach kurzem Zögern kam sie näher, beschnupperte meine Hand und leckte daran. Mit Cujo dem Schrecklichen hatte sie eindeutig nichts gemein. (5% des eBooks)

Oder aber auch zu seinem dunklen Turm, den er vermutlich nie mehr verlassen können wird:

Ich hob prostend meine Tasse. »Lange Tage und angenehme Nächte!« […] Dass mein Dad den Spruch aus irgendeinem Buch hatte, verriet ich nicht. (62% des eBooks)

Ich finde die Bezüge zu Deutschland relativ erstaunlich. Irgendetwas an der unrühmlichen gemeinsamen Vergangenheit von Deutschland und den USA scheint Stephen King sehr zu faszinieren. Und so finden sich politische Zusammenhänge in seinem neusten Buch:

Nachdem ich allerhand schwer verständliches Zeug über den Versailler Vertrag und die deutschen Reparationszahlungen durchgeackert hatte […] (6% des eBooks)

Aber auch für mich etwas überraschend auch Bezüge zu deutschen Büchern, wie Michael Endes „Die unendliche Geschichte“:

In dem Zusammenhang fiel mir auch ein Film ein, den ich als ziemlich kleines Kind zusammen mit meinen Eltern angeschaut hatte. Die unendliche Geschichte. Wenn Empis nun wie Phantásien in diesem Film war, eine durch kollektive Imagination geschaffene Welt? (bei 47% des eBooks)

Dass Stephen King mit den aktuellen Entwicklungen in den USA nicht einverstanden ist, macht er immer wieder in seinen Büchern deutlich, in denen er mit Gesellschaftskritik an den politischen Entwicklungen nicht spart, wie z.B. mit solchen Passagen:

Mir kam es vor, als würde sich so einiges in Amerika in die falsche Richtung bewegen, und das ist immer noch so, aber das dürfte jetzt keine Rolle spielen. (28% des eBooks)

achtung explizite gewaltdarstellung
⚠️Achtung⚠️Dieses Buch enthält explizite Beschreibungen von Sex und Gewalt und ist somit nicht für minderjährige oder zart besaitete Leser geeignet.
buchcover

Titel: Fairy Tale
Autor: King, Stephen
Genre: Fantasy / Märchen
Seitenzahl: 880
Verlag: Heyne Verlag

5/5

Originaltitel: Fairy Tale
Übersetzer: Bernhard Kleinschmidt
Herkunft: USA
Jahr: 2022 (org./dt.)

Die auf diesem Blog veröffentlichten Buchbesprechungen zu Büchern von Stephen King sind mittlerweile auf einer eigenen Seite zu finden.

Dieses Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt. Weitere Hinweise zu Rezensionsexemplaren finden sich im Bereich “Über diesen Blog“.

Ich finde die Cover-Vielfalt interessant, weshalb ich die beiden englischen Ausgaben hier verlinke. Es handelt sich dabei um die Print- und die eBook-Ausgabe. In Deutschland haben alle Ausgaben das gleiche Cover.

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4 Kommentare

  1. Hi Frank!

    Das klingt wieder nach einem richtig guten Buch von ihm!
    Da ich ja momentan seine älteren Werke so nach und nach lese, muss das neue für mich erstmal warten, aber ich freu mich jetzt schon sehr darauf. Hab schon einige begeisterte Rezensionen dazu gesehen…
    Toll dass du die ganzen Zitate rausgesucht hast: je mehr man von King liest, umso mehr entdeckt man die ganzen kleine Bezüge zu den anderen Büchern von ihm, die er immer wieder mal gerne in einem Nebensatz fallen lässt. Ich liebe das! Oder auch die Erwähnungen von anderen Büchern oder Filmen.

    Hattest du eigentlich Stranger Things angeschaut? In der vierten Staffel liest einer ein paar Zeilen aus “Der Talisman” vor!!! Irgendwie scheint das keinem aufgefallen zu sein und ich fands so klasse! 😀

    Liebste Grüße, Aleshanee

    1. Hi Aleshanee,
      ja, Fairy Tale hat mir wieder gut gefallen. Ich kann Dir gar nicht sagen, woran es liegt, dass mir die ausschweifenden Erzählungen mal gefallen und mal nicht.
      Es gibt immer so eine Art Aha-Effekt, wenn ich über solche Zitate stolpere. Ich mag das auch sehr, es trauen sich leider nur sehr wenige Autoren 🙂
      Stranger Things hatte ich gesehen – ich schaue erst noch andere zu Ende, was ein wenig dauern kann, weil ich gar nicht so viel fernsehe 🙂
      Viele Grüße
      Frank

  2. Hallo Frank,

    für mich hört es sich auch wieder nach einem richtig tollen King an. Ich bin zwar kein Fantasy-Leser, aber bei ihm macht es mir meistens nicht aus. Die Anspielungen auf die anderen Werke finde ich auch recht interessant. Ich freue mich drauf!

    Liebe Grüße
    Nicole

    1. Hi Nicole,

      ich höre und lese zwar immer wieder, dass bei manchem Leser die Erzählungen teils zu langatmig waren, aber das kann ich zumindest in diesem Fall nicht bestätigen, auch wenn King hin und wieder dazu neigt 🙂 Ich denke, dass Du an dem Buch Deine Freude haben wirst.

      Viele Grüße
      Frank

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