Der Erstlingsroman „Jonathan Strange & Mr. Norrell“ von Susanna Clarke musste erst als Serie verfilmt werden, um den Weg nach Deutschland zu finden. Dabei ist dieser Roman in England nicht nur überaus erfolgreich gewesen, sondern wurde auch mit diversen Preisen ausgezeichnet. Wie viele andere Leser, die ich kenne, habe auch ich zuerst Piranesi gelesen und war davon so angetan, dass ich mich auch diesem Mammutwerk gewidmet habe. Aber auch wenn Piranesi gleichfalls sehr sprachgewaltig ist, so haben beide Bücher nur sehr wenig miteinander gemein.
Das Thema des Buchs klingt auf den ersten Blick etwas ungewöhnlich. Die Magie ist aus England verschwunden und wird nur theoretisch gelehrt. Der Zauberer Norrell macht es sich zur Aufgabe, diese wieder nach England zurückzubringen. Auf dem zweiten Blick bleibt die Zauberei in dem Buch ungewöhnlich, denn es können nur ganz bestimmte Zauber gewirkt werden. Es dauert eine ganze Weile, bis mit Mr. Strange die zweite Hauptfigur die Bühne betritt. Dies ist nämlich das Wesen des Buchs, dass Susanna Clarke die Sprache sehr ausufernd einsetzt und die Geschichte ganz besonders ausmalt.
Dabei holt sie gerne sehr weit aus und spinnt den Plot sehr ausufernd. Und zwar so sehr, dass es mit Sicherheit nicht jedem gefallen wird, denn es ist eine eher ruhige Fantasy-Erzählung, die ohne epischen Schlachten auskommt. Auch wenn in dem Parallel-Universum der Krieg zwischen England und Frankreich thematisiert wird. Wenn ich mir englische Meinungen und Reviews anschaue, so wird immer wieder die wunderbare Sprache hervorgehoben und dass das Buch in einem ganz besonderen Englisch geschrieben ist. Dies lässt sich in der deutschen Übersetzung so nicht sagen, auch wenn das Buch durchaus sprachgewaltig ist. Wer die Möglichkeit hat, sollte das Buch vielleicht im englischen Original lesen.
Die Welt, die Susanna Clarke mit diesem Roman erschaffen hat, malt sie zudem noch weiter aus, in dem sie 185 (teils sehr umfangreiche) Fußnoten nutzt, die noch mehr Hintergrundinformationen liefern. Wer mit Fußnoten auf Kriegsfuß steht, sollte das Buch besser meiden.
Der englische Begriff „magicans“ wurde als „Zauberer“ übersetzt. Es gibt im Deutschen zwar keine eindeutige Übersetzung zu diesem Begriff, aber gemeinhin verbindet man die Zauberei eher mit „Zaubertricks“ und die Magier als jene, die „Magie“ wirken. Aus diesem Grund finde ich es etwas unglücklich, dass sich die Übersetzerin für den Begriff „Zauberer“ entschieden hat. Meines Erachtens wäre der Begriff „Magier“ passender gewesen.
Fazit
Dieser Fantasy-Roman gehört zu jenen, die ihren Fokus auf die Ausarbeitung der Figuren und der Welt wert legen und zu jenen, in denen sprachgewaltig erzählt wird. Allerdings in einer Art und Weise, die nicht jedem Fantasy-Freund liegen wird, weshalb ich unbedingt empfehle, zuerst die Leseprobe zu lesen. Wer von den ersten Seiten des Romans verzaubert wird, der wird es auch vom Rest des Buchs. Wer nicht, sollte besser zu einem anderen Buch greifen.
Übrigens: Der Vergleich mit Tolkiens „Der Herr der Ringe“ hinkt gewaltig. Ich finde nicht, dass man überhaupt diese beiden Bücher miteinander vergleichen kann. Davon sollte sich der potentielle Leser nicht in die Irre führen lassen.
Nach eigenen Angaben hat die Autorin mit einer Fortsetzung begonnen. Angesichts dessen, dass sie an diesem Roman über 10 Jahre geschrieben hat und sie zwischendurch Piranesi veröffentlicht hat, ist mit einem baldigen Release nicht zu rechnen. In dem Nachfolgeroman sollen dann die beiden Charaktere Childermass und Vinculus im Fokus stehen.
Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell
Autor: Clarke, Susanna
Genre: Fantasy
Seitenzahl: 1056
Verlag: Heyne Verlag
Originaltitel: Jonathan Strange & Mr. Norrell
Übersetzer: Anette Grube und Rebekka Göpfert
Herkunft: England
Jahr: 2004 / 2020 (org./dt.)
Dieses Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt. Weitere Hinweise zu Rezensionsexemplaren findet sich auf der Verlagsübersichtsseite.
Der Büchernarr schreibt hauptsächlich über Bücher aus den Genres Fantasy und Horror. Manchmal schleichen sich Bücher anderer Genres in diesen Buchblog ein, so dass hier auch Biografien, historische Romane oder Kinderbücher zu finden sind.
Hi Frank!
Nachdem ich durch Piranesi auf Mr Strange aufmerksam geworden bin – auf die Neuauflage – hab ich erst gesehen, wie „alt“ das eigentlich schon ist und hab mir auch das ältere Exemplar besorgt. Das liegt zwar noch auf dem SuB, steht aber schon demnächst auf meiner to read Liste 🙂
Ich bin jedenfalls sehr gespannt und freu mich drauf, dir scheint es ja im großen und ganzen gut gefallen zu haben. Wie auch bei Robin Hobb angemerkt muss ich keine ausufernden Schlachten haben, was ja bei Urban Fantasy eh selten vorkommt 😀 Wobei ich jetzt natürlich noch nicht so genau weiß, wie dieses „Parallel Universum“ ausgearbeitet ist… Ich lass mich überraschen.
Achja, die vielen Vergleiche, was mittleweile mit dem Herrn der Ringe gemacht werden, die sind so unnötig … aber eben gerne von Verlagen genutzt. Aber meist absolut unzutreffend.
Den Sprachstil fand ich ja schon in Piranesi sehr ansprechend, deshalb denke ich, wird er mich auch hier überzeugen und fesseln können 🙂
Liebste Grüße, Aleshanee
Hi Aleshanee,
ich bin auch gespannt, ob Dir das Buch zusagt und wie es sich im Vergleich zu Piranesi „schlägt“ (obwohl beide grundverschieden sind).
Ja, leider sind die gewählten Marketing Methoden nicht immer die besten … auf einem Horrorbuch muss ein Zitat von King stehen und auf einem Fantasybuch irgendwas mit Tolkien 🙂
Viele herzliche Grüße
Frank