[Dystopie] Die Zeuginnen

Lange Zeit hat sich die kana­di­sche Autorin dage­gen gewehrt, eine Fortsetzung ihres Erfolgsromans »Der Report der Magd« zu schrei­ben. Über die Hintergründe, wes­halb sie es nun doch getan hat, wird viel spe­ku­liert. Vielleicht lag es am Erfolg der Fernsehserie oder doch an den per­ma­nen­ten Fragen der Leserschaft nach dem offe­nen Ende von »Der Report der Magd« oder viel­leicht doch die Entwicklung der poli­ti­schen Landschaft in vie­len west­li­chen Ländern der letz­ten Jahre.

Das Ende Gileads

So oder so steht nun der Untergang Gileads im Fokus, der nord­ame­ri­ka­ni­sche Staat, der sinn­bild­lich für die tota­li­tä­ren Staaten der Welt steht und Atwood geht der Frage, ob sich ein sol­cher Staat eher von innen her­aus selbst zer­fleischt oder von außen ange­fres­sen wird. Dabei habe ich als Leser sehr mas­siv gemerkt, wie sehr die Autorin auf aktu­el­le­re Ereignisse der Neuzeit anspielt und vor Augen führt, wel­che Auswirkung tota­li­tä­re Machtstrukturen haben, ohne aber den Zeigefinger gegen­über kon­kre­te Regierungspersönlichkeiten zu erhe­ben.

Auch wenn ich den Vorgänger »Der Report der Magd« ken­ne und gele­sen habe und auch wenn ich mich mit der Graphic Novel auf den Roman ein­ge­stimmt habe, fiel der Einstieg ver­gleichs­wei­se schwer. Vieles, was ich im Vorfeld in der Fachpresse gele­sen habe, konn­te ich so nicht nach­voll­zie­hen. Da ist von einer bis­si­gen Satire die Rede oder von drei wei­test­ge­hend unab­hän­gi­gen Erlebnisberichten und ich stel­le mich die Frage, ob ich den glei­chen Roman gele­sen habe.

Ich konn­te kei­ne Satire ent­de­cken und emp­fand jetzt die drei geschil­der­ten Erlebnisberichte auch nicht unab­hän­gig. Ganz im Gegenteil zeich­net sich ab, wor­auf die Geschichte sich hin ent­wi­ckelt wie sehr die drei Berichte mit­ein­an­der ver­wo­ben sind. Und je deut­li­cher das wird, umso inter­es­san­ter und span­nen­der wird das Buch und umso mehr wird es zu dem sprich­wört­li­chen Pageturner.

Fazit

Ich fand den Einstieg in das Buch recht müh­sam und die Geschichte hat ein biss­chen Zeit benö­tigt, bevor sie mich zu packen bekam. Dann aber wur­de es wirk­lich span­nend und wuss­te zu über­zeu­gen. Insgesamt blie­ben die gezeich­ne­ten Figuren aber emo­ti­ons­lo­ser als noch im Vorgängerroman, den man mei­nes Erachtens ken­nen muss, um sich in den sozia­len Strukturen der fik­ti­ven Staates Gilead zurecht­zu­fin­den. Empfehlen kann ich das Buch trotz aller Kritik, und sei es nur aus Neugier, wie die Autorin ihr erfolg­rei­ches Werk fort­setzt.

Es ist inter­es­sant, dass nicht nur Margaret Atwood ihr Land als Gilead bezeich­net, son­dern dass auch Stephen King in sei­ner Saga “Der dunk­le Turm” sei­ne Hauptfigur Roland Deschain aus die­sem Land kom­men lässt.

Zum ers­ten Mal Erwähnung fin­det der Name Gilead in der Bibel. Nehmen hier bei­de Autoren Bezug zu dem Buch der Bücher, wo Gilead gleich mehr­fach genannt wird? In der Bibel ist Gilead sowohl ein Land, als auch Name diver­ser Personen. Insgesamt fin­det sich das Wort Gilead über 100 Mal in den bibli­schen Texten, aller­dings ohne tief­grei­fen­de­re Bedeutung, die dar­auf schlie­ßen könn­te, was an den Name der­art beson­ders ist, als dass King und Atwood ihn für ihre Bücher ver­wen­den.

An die­ser Stelle mal wie­der der Hinweis, wie schlecht die Wiki-Artikel sind, wenn man die­sen mit einem Bibellexikon ver­gleicht.

Es kann aber auch einen ganz simp­len Grund geben, denn es gibt in Maine eine Stadt namens Gilead und wer King kennt, wird wis­sen, dass er sehr oft in sei­nen Büchern Bezüge nach Maine her­stellt. Und die bei­den Autoren ken­nen sich, so dass die Idee viel­leicht ganz sim­pel abends bei einem gepfleg­ten Glas Wein ent­stand.

Gesichert haben sich aber bei­de Autoren nicht dazu geäu­ßert, wes­halb sie gera­de Gilead für ihre Romane wähl­ten und so gibt es zahl­rei­che Theorien im Netz, wie die­ser Umstand wohl zustan­de gekom­men ist.

Ich den­ke, dass der Leser zuerst “Der Report der Magd” lesen soll­te, bevor er sich “Die Zeuginnen” wid­met. Ich selbst habe das Buch vor über 30 Jahren gele­sen und mir die Geschichte mit der sehr gut umge­setz­ten Graphic Novel noch­mals ver­ge­gen­wär­tigt. Ich habe die Graphic Novel im eng­li­schen Original gele­sen, mitt­ler­wei­le ist auch die deut­sche Übersetzung erhält­lich.

Es fin­den sich wei­te­re Besprechungen und Vorstellungen auf fol­gen­den Blogs. Aufgrund der hohen Bekanntheitgrads des ers­ten Buchs, gibt es ver­gleichs­wei­se vie­le Reviews, von denen der über­wie­gen­de Teil posi­tiv aus­fällt, wobei durch­gän­gig die Meinung vor­herrscht, dass “Die Zeuginnen” nicht an “Der Report der Magd” her­an­reicht.

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cover die-zeuginnen

Titel: Die Zeuginnen
Autor: Atwood, Margaret
Genre: Dystopie
Seitenzahl: 574
Verlag: Berlin Verlag

4/5

Originaltitel: The Testaments
Übersetzer: Monika Baark
Herkunft: Kanada
Jahr: 2019 (org./dt.)

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