[Biografie] Ankommen: Aber wo war ich eigentlich?

Bülent Ceylan ist mir mit zwei Fernsehauftritten blei­bend in Erinnerung geblie­ben. Zum einen ist er in einer Show auf­ge­tre­ten (irgend­ei­ne Geburtstagsshow eines betag­ten Prominenten, ich weiß nicht mehr wer), in der haupt­säch­lich ein sehr betag­tes Publikum saß. Er brach­te sei­ne Gags … und kei­ner lach­te. Ich konn­te sehen, wie er dar­un­ter litt und er hat­te mir tat­säch­lich leid­ge­tan, weil ein­fach kei­ner sei­ne Gags ver­stand und sie über­haupt nicht anka­men. Und mit jedem neu­en Gag stieg sei­ne Verzweiflung. Zum Ende haben dann eini­ge wenigs­tens aus Höflichkeit einen zar­ten Lacher von sich gege­ben.

Zum ande­ren war es eine Show, in der er von dem Tod sei­nes Vaters erzähl­te. Wie betrof­fen ihn die­ses Ereignis mach­te und wel­che Leere sein Tod bei ihm hin­ter­ließ. Zudem erzähl­te er davon, wie er sei­nen Vater für die Beerdigung vor­be­rei­tet hat­te. Überhaupt kein Thema für eine Comedy-Sendung, aber den­noch woll­te er das wohl los­wer­den. Natürlich hat kei­ner gelacht. Vielmehr hat er es geschafft, dass er sehr viel Respekt bei sei­nem Publikum ein­ge­heimst hat­te.

Diese bei­den Eindrücke von mir zu Bülent Ceylan (den ich natür­lich nicht per­sön­lich ken­ne) haben nicht nur einen blei­ben­den Eindruck bei mir hin­ter­las­sen, son­dern die­se Stimmungen fin­den sich auch in sei­ner über­aus per­sön­li­chen Biografie. Natürlich fin­den sich die von mir in Erinnerung geblie­be­nen Lebensabschnitte in sei­nem Buch wie­der, aller­dings in mei­nen Augen nicht ganz so emo­tio­nal wie bei sei­nem Bühnenauftritt.

Ich fin­de es span­nend, mal hin­ter die Kulissen zu schau­en. Vor allem auch, wie die Künstler zu ihrem Erfolg kamen. Viele Comedians waren nicht von Anfang berühmt, son­dern haben auch sehr bit­te­re Jahre erle­ben müs­sen, in denen sie von der Hand in den Mund leb­ten. Natürlich trifft das nicht auf jeden Künstler zu, aber so man­che von Bülent Ceylan beschrie­be­ne Szene erin­ner­te mich an den Werdegang von Ilka Bessin (die vie­le immer noch mit Cindy aus Marzahn in Verbindung brin­gen), die kei­nen fami­liä­ren Rückhalt hat­te und qua­si noch tie­fer am Ende der Gesellschaft stand.

(Ganz neben­bei bemerkt: Wie vie­le Künstler mag es da drau­ßen geben, denen der Durchbruch nicht gelun­gen ist und ver­mut­lich auch künf­tig nicht gelin­gen wird und ihr Leben lang von der Hand in den Mund leben?)

Es gibt genug, was Bülent Ceylan von sich gibt, dem ich nicht zustim­me. Wie z.B. der Satz „Im Rückblick auf das eige­ne Leben sieht alles oft logisch und schlüs­sig aus.“ Wenn ich mir sei­ne Biografie anschaue, dann frag ich mich, wie er dar­auf gekom­men ist, denn sein Lebensweg ist alles ande­re als eine logi­sche Folge schick­sal­haf­ter Ereignisse.

Sprachlich ist das Buch auf dem Niveau, das die Zuschauer von sei­nen Shows kennt. Eben sehr umgangs­sprach­lich und nah an sei­ner Zielgruppe (von ein, zwei Ausnahmen mal abge­se­hen, die viel­leicht eher der Feder der Co-Autorin stam­men). In mei­nen Augen passt es ganz gut zu dem Künstler bzw. zu der Art und Weise, wie er sich in der Öffentlichkeit prä­sen­tiert.

Fazit

Jeder „weiß“, dass Künstler und Freischaffende durch Höhen und Tiefen gehen. Aber ein Bild kann man sich dann doch nicht davon machen. Bülent Ceylan gibt einen sehr per­sön­li­chen Blick auf sei­ne ganz per­sön­li­chen „Aufs und Abs“, die ihm sein Leben bis­her beglei­te­ten. Dieser umfas­sen­de Blick macht die­se Autobiografie dann auch nicht für Bülent-Fans inter­es­sant, son­dern auch für all jene, die ger­ne am Leben und Werdegang ande­rer inter­es­siert sind.

Ein Nebengedanke: Erst kürz­lich habe ich die Biografie von Tan Caglar gele­sen. Dort berich­tet er vom Bühnentausch mit Bülent Ceylan. Sehr inter­es­sant, wie nun Bülent in sei­nem Buch vom glei­chen Auftritt berich­tet, wie er die­sen Bühnentausch erlebt hat.

buchcover

Titel: Ankommen: Aber wo war ich eigent­lich?
Autor: Ceylan, Bülent; Herbold, Astrid
Genre: Autobiografie
Seitenzahl: 256
Verlag: Fischer Verlage

5/5

Herkunft: Deutschland
Jahr: 2021

Dieses Buch wur­de mir über die Plattform Netgalley als E‑Book zur Verfügung gestellt. NetGalley gibt kei­ner­lei Vorgaben über die Art und Weise, wie Bücher bewer­tet oder vor­ge­stellt wer­den. Mehr Infos dazu auf der Seite “Über die­sen Blog”.

Mittlerweile habe ich in das Leben eini­ger Comedians geschaut. Jetzt fragt sich so man­cher viel­leicht, müs­sen die alle einen Seelenstriptease hin­le­gen? Ganz so ist es nicht. Jeder der vier hat­te eine ande­re Motivation sei­ne bzw. ihre Gedanken zu Papier zu brin­gen. Empfehlenswert sind alle vier.

Abgeschminkt von Ilka Bessin, Rolllt bei mir! von Tan Caglar, die­se Biografie Angekommen und das kom­men­de Buch “Es kann nur eine geben” von Carolin Kebekus, das mehr poli­tisch moti­viert geschrie­ben wur­de (und nicht als Biografie)

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